Reden im Landtag

Christiane Böhm zum Haushalt 2021 - Bereich Soziales und Gesundheit

Christiane Böhm
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In der 61. Plenarsitzung am 9. Dezember 2020 diskutierte der Hessische Landtag über den Haushalt des Landes Hessen für das Jahr 2021. Für den Bereich Soziales und Gesundheit sprach unsere sozialpolitische Sprecherin Christiane Böhm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!

Als Sozialpädagogin weiß ich, dass es immer gut ist, mit einem Lob zu beginnen, wenn man erreichen will, dass das Gegenüber einem zuhört. Nehmen Sie es sozusagen als ein Coaching von links: Ich habe wirklich drei Dinge in Ihrem Sozialhaushalt gefunden, die zu erwähnen und zu loben sind und zu denen ich etwas sagen möchte: Erstens. Sie führen endlich ein Sinnesbehindertengeld ein, welches auch gehörlose und taubblinde Menschen unterstützt. Zweitens. Sie stellen mehr Geld für die Kitas zur Verfügung. Drittens. Sie beginnen mit einer besseren Umsetzung der Unterstützung der hessischen Hebammen. – Das sind doch drei erfreuliche Botschaften.

(Demonstrativer Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen aber nicht verhehlen: Jede dieser Botschaft enthält auch einen dicken Wermutstropfen. Das Sinnesbehindertengeld steht seit Jahren auf der Tagesordnung. Sie sind also ziemlich spät dran, auch im Vergleich der Bundesländer. Zudem soll dieses Geld nicht einmal ab Januar nächsten Jahres gezahlt werden, sondern erst ab April. Ich weiß wirklich nicht, warum Sie jetzt noch so lange zögern. Sie könnten das Gesetz rückwirkend in Kraft treten lassen. Danach steht Ihnen aber offensichtlich nicht der Sinn.

Bei den höheren Zuwendungen für die Kitas bin ich einmal gespannt, wie viel mehr an Landesmitteln tatsächlich ankommen wird. Wir wissen doch, dass die schwarz-grüne Landesregierung sehr gerne auf das Geld setzt, das von den Kommunen kommt – wie z. B. bei den Krankenhäusern. Gerade für die Kitas wird wesentlich mehr Geld von den Kommunen als vom Land ausgegeben. Selbstverständlich nimmt das Land auch gern die Bundesmittel mit, um seine eigenen Mittel schönzurechnen.

Auch wenn wir sagen, es gibt mehr Geld in der pädagogischen Arbeit – was dringend erforderlich ist –, fehlt trotzdem immer noch eine Menge. Der Fachkräftemangel wird mit den vorgesehenen 600 praxisintegrierten vergüteten Ausbildungsplätzen noch nicht behoben sein. Auch die mittelbare pädagogische Arbeit fehlt in Ihrem Haushaltsentwurf immer noch – es gibt noch nicht einmal eine gesetzliche Regelung dafür –, und auch dem Ziel der Kostenfreiheit der frühkindlichen Bildung kommen wir mit dem Haushaltsentwurf keinen einzigen Schritt näher.

Sie stellen zwar 1,7 Millionen € in den Haushaltsplan ein, um das Zukunftsprogramm Geburtshilfe voranzutreiben, allerdings ohne konkrete Projekte vorzusehen. Meine Vorrednerinnen haben dazu schon etwas gesagt. Wenn Sie das tatsächlich damit begründen, dass im November der runde Tisch wegen Corona abgesagt werden musste, dann lässt mich das wirklich mit einem Kopfschütteln zurück. Meinen Sie nicht, dass eine Videokonferenz allen Beteiligten lieber gewesen wäre, als diese Hängepartie weiterzuführen? Es scheint so zu sein, dass der digitale Notstand im Sozialministerium sehr groß ist – außer wenn die regelmäßig stattfindenden Video-Pressekonferenzen von Minister Klose ausgestrahlt werden. Dann funktioniert es nämlich.

Das Gutachten, auf das Sie sich beziehen, liegt seit einem Jahr vor. Das haben die in der Geburtshilfe Tätigen und die Schwangeren in diesem Land wirklich nicht verdient. Tun Sie endlich etwas, schieben Sie nicht weiterhin alles auf die lange Bank.

(Beifall DIE LINKE)

Lassen Sie uns mit der größten Lücke im Haushalt beginnen. Auch wenn Sie von einigen dafür gelobt werden, dass Sie mehr Geld für Investitionen in die hessischen Krankenhäuser zur Verfügung stellen – mir fehlen noch immer jährlich fast 200 Millionen € an Investitionsmitteln. Das wäre der Betrag, den die Krankenhäuser tatsächlich brauchen. Wenn ich Sie da an Ihren eigenen Koalitionsvertrag erinnern kann: Sie haben versprochen, dass Sie sie bis 2023 vollständig gewährleisten wollen. Wenn Sie allerdings mit diesen Trippelschrittchen weitermachen, muss 2023 noch in ganz ferner Zukunft liegen. Jetzt fangen Sie doch endlich einmal an, diese Lücke tatsächlich und entschieden zu verkleinern.

Nein, Sie verharren weiter in Halbheiten. Das ist wie in anderen Bereichen auch: Corona-Tests für Kita-Erzieherinnen, aber nicht für die Erzieherinnen und Erzieher in der offenen Jugendarbeit oder in der Kinderarbeit; Tests für Pflegeeinrichtungen viel zu spät, aber auch nicht für alle;

Freihaltepauschalen für die großen Kliniken, aber nicht für die kommunalen; und selbst die neue Allgemeinverfügung, die die kleinen Häuser schützen soll, haben Sie immer noch nicht veröffentlicht. Ich hoffe, dass sie noch auf den Weg kommt.

Es gibt Pflästerchen für Jugendherbergen und Tafeln, aber keine Perspektiven. Sie sind wirklich nicht in der Lage, entschiedene Maßnahmen zu ergreifen und tatsächliche Verbesserungen zu ermöglichen. Sie doktern lieber an den Symptomen herum, statt an die Ursachen zu gehen. So kann man weder eine Pandemie besiegen noch einen vernünftigen Landeshaushalt aufstellen.

(Beifall DIE LINKE)

Das zeigt sich auch in der Psychiatrie. Der Maßregelvollzug bekommt wieder einmal eine Aufstockung in zweistelliger Millionenhöhe; die ambulante Versorgung in der Psychiatrie ist Ihnen lächerliche 400.000 € wert. Sie reagieren also erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist und wenn man wirklich heftige Maßnahmen ergreifen muss, statt präventive Mittel deutlich auszubauen. Das ist doch der Irrweg.

Ich höre noch Herrn Klose, wie er kurz nach dem Erscheinen des Wallraff-Reports über den Skandal in FrankfurtHöchst mit vielen schönen Worten für eine bessere Psychiatrie geworben hat. Ganz still ist es um die Fragen inzwischen geworden. Nichts passiert. Das Ministerium weiß, dass es in der stationären Psychiatrie in Hessen Grundrechtsverletzungen gibt. Aber handelt es als Fachaufsicht? Nein.

Herr Dr. Kirschenbauer, der von Ihnen eingesetzte Experte, hat wesentliche Änderungen in der Psychiatrie verlangt. Was haben Sie denn davon umgesetzt? Kaum mehr als ein paar Eimer Farbe für die Flure der Station D 42 im Klinikum Frankfurt-Höchst. 400.000 € – damit können Sie nicht einmal die Voraussetzungen für die dringend notwendigen, von allen erwarteten und schon im letzten Haushalt stehenden Krisendienste schaffen.

Wir werden mit unseren Haushaltsanträgen deutlich machen, was in Hessen wirklich passieren muss, und es wird Zeit, dass Sie Ihren Ankündigungen einen Maßnahmenplan für eine moderne, gewaltfreie Psychiatrie mit guten Arbeitsbedingungen folgen lassen.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, es gibt unzählige Beispiele, in denen nichts passiert, aber ich will nur auf einen Bereich eingehen, nämlich auf den Gewaltschutz. Auch in Hessen gilt die Istanbul-Konvention. Ich weiß, Sie haben das schon einmal von mir gehört. Es haben auch alle Fraktionen ein Schreiben von den Frauenberatungs- und Interventionsstellen sowie von den Frauenhäusern bekommen.

Es ist klar: Hunderte Frauenhausplätze fehlen. Es fehlt die vorgeschriebene Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, und es fehlen die präventiven Maßnahmen, der Gewaltschutz und die Täterarbeit. Das alles ist völlig unterfinanziert. Was ist Ihre Antwort im Haushaltsplanentwurf? Lächerliche 500.000 € Investitionsmittel, damit ein paar Räume barrierefrei umgestaltet werden können.

Schämen Sie sich nicht, nur auf Bundes- und kommunale Mittel zu verweisen? Mich ärgert diese Ignoranz. Sie lassen damit die Menschen im Stich, die Opfer häuslicher Gewalt werden, und Sie lassen die Haupt- und Ehrenamtlichen im Regen stehen. Das gilt für viele Bereiche dieses Einzelplans. Wir brauchen entschiedene Schritte, um ein soziales Hessen zu erreichen. Mit diesem Haushaltsplan werden Sie keinen Schritt weiterkommen. – Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)