Reden im Landtag

Christiane Böhm: Auch eine erweiterte Landarztquote löst nicht die Probleme des ländlichen Raums

Christiane BöhmGesundheit

In seiner 83. Plenarsitzung am 29. September 2021 diskutierte der Hessische Landtag zum Gesetz zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung und des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in Hessen sowie zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften. Dazu die Rede unserer gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Manche zeitlichen Abläufe bei Schwarz-Grün sind schon erstaunlich. Im März dieses Jahres verkündeten Herr Bocklet und Herr Dr. Bartelt die Vorlage eines Gesetzentwurfs für eine Landarztquote. Ein Gesetzentwurf wurde aber nicht vorgelegt. Anscheinend haben Sie vor der Kommunalwahl ziemlich gebibbert. Man musste heucheln, dass man sich für den ländlichen Raum interessiert.

Am 30. Juni 2021 erklärte Herr Bartelt, jetzt käme der Gesetzentwurf zur Landarztquote. Es wurde aber immer noch keiner vorgelegt. Herr Bocklet, Sie brauchten aber irgendetwas, um gut über den Bundestagswahlkampf zu kommen. Ich würde mich angesichts dieser Ankündigungsorgie ein bisschen schämen.

Jetzt haben wir tatsächlichen einen Gesetzentwurf bekommen, und zwar sechs Monate nach der ersten Jubelmeldung. Hurra, hurra. Das grenzt schon an Wählertäuschung.

Ich bin gespannt, was denn so lange gedauert hat. Um es kurz zu sagen: nichts. Seit der Diskussion über den Gesetzentwurf der Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion zu diesem Thema vor über einem Jahr haben Sie auch schon gesagt, dass Sie einen Gesetzentwurf vorlegen werden. Aber seitdem haben Sie keine wesentlichen Erkenntnisse dazugewonnen.

Die Frage, warum Sie über ein Jahr brauchten, den Gesetzentwurf vorzulegen, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht beantworten. Insbesondere kann ich es deswegen nicht, weil die wesentlichen Fragen gar nicht in dem Gesetzentwurf festgehalten werden. Das soll durch Verordnungen geklärt werden, oder es wird einfach offenbleiben.

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und Ihren Gesetzentwurf mit Ihren Aussagen aus der zweiten und dritten Lesung im letzten Jahr zum SPD-Gesetzentwurf abgeglichen. Herr Bocklet kritisierte z. B. in der dritten Lesung, dass die Vorabquote bei den Medizinstudienplätzen, die die SPD-Fraktion wollte, zu hoch sei. Bei Ihrem Gesetzentwurf wurde das jetzt elegant gelöst. Sie nennen einfach keine Zahl mehr.

Ich konnte der Presseerklärung des Herrn Bocklet im Juni 2021 entnehmen, dass wohl geplant ist, dass 6,5 % der Medizinstudienplätze in Hessen für eine Vorabquote für Allgemeinmedizin reserviert werden sollen. 1,3 % sollen es für den öffentlichen Gesundheitsdienst sein.

Gott sei Dank beschließen wir immer noch nicht über die Verlautbarungen des Herrn Bocklet, sondern über Gesetzentwürfe. Da erwarte ich eine klare Ansage von der Landesregierung.

Herr Dr. Bartelt hat nach der Anhörung des SPD-Gesetzentwurfs unter anderem die Forderung der Internistinnen und Internisten, die oft auch als Hausärztinnen und Hausärzte praktizieren, genannt. Sie seien eine wichtige Gruppe. Ein Blick in den Gesetzentwurf zeigt: Internistinnen und Internisten werden mit keinem Wort erwähnt.

Sie wollen mit Schwerpunktcurricula an den medizinischen Fakultäten und Hochschulen besonders die hausärztliche Tätigkeit und die Vorbereitung für den öffentlichen Gesundheitsdienst fördern. Das ist ganz unabhängig von der für die Landärzte festgelegten Quote klar zu begrüßen. Ich denke, das wäre eine der entscheidenden Vorgehensweisen, die sinnvoll wäre.

Nur warte ich schon seit über einem Jahr auf die Auskunft aus dem Ministerium, ob denn die notwendige Finanzierung für diese Schwerpunktcurricula endlich steht, die mehrere Universitäten in der Anhörung angemahnt haben. Ihr Gesetzentwurf bietet zur Frage der Finanzierung weiterhin keine Antwort.

Sie wollen ein Stipendium für diese spezifische Gruppe der Studierenden auflegen. Sie sagen aber weder, wie viele Stipendien es geben soll, noch sagen Sie etwas über deren Höhe.

Es gibt noch ein besonderes Beispiel für einen Irrsinn, auf den ich hinweisen möchte. Dieses Gesetz soll wieder einmal auf sieben Jahre befristet werden. Wenn das Gesetz das erste Mal ausläuft, wird ein Großteil der ersten Studierenden noch nicht einmal das Studium fertig haben, von der Einsatzverpflichtung für zehn Jahre ganz zu schweigen, die Sie vorschreiben wollen. Da sieht man doch einmal wieder, welchen Unsinn diese automatischen Befristungen fabrizieren.

In der Gesamtschau zu Ihrem Gesetzentwurf bin ich weiterhin von der erhofften Wirkung nicht überzeugt. Ich gestehe Ihnen zu, dass mit der Berücksichtigung der Kinderund Jugendmedizin und des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Ihrem Gesetzentwurf natürlich ein breiterer Ansatz als in dem der SPD-Fraktion gewählt wurde. Dennoch glaube ich weiterhin nicht, dass die Landarztquote in dieser erweiterten Form die erhoffte Lösung bringen wird. Denn die Grundprobleme werden damit einfach nicht gelöst.

Sie haben keine Antwort darauf, dass viele junge Ärztinnen und Ärzte keine Praxis übernehmen wollen, sondern Angestellte sein und in multidisziplinären Teams arbeiten wollen. Es gibt keinerlei Gestaltungswillen der Landesregierung für kommunale Gesundheitszentren. Da könnte so etwas umgesetzt werden.

Ihre Quote wird, übrigens anders als bei dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, auf Kosten der anderen Medizinstudienplätze gehen. Sie wollen die Studienplätze einfach nur umverteilen. Das heißt, der Mangel wird verwaltet, es wird geschoben, aber nicht behoben.

Sie haben keine Idee, wie der ländliche Raum positiv entwickelt werden kann, damit er für Ärztinnen und Ärzte und alle dort lebenden Menschen attraktiv wird. Nicht ohne Grund wird dieses Damoklesschwert der Vertragsstrafe von 250.000 € über den Studierenden schweben, wenn sie den Forderungen dieses Gesetzes nicht entsprechen wollen.

Die wesentlichen Kritikpunkte, die von den Vertreterinnen und Vertretern der Hochschulen zu dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion geäußert wurden, haben Sie auch nicht geheilt. Ich glaube, das wird Ihnen in der Anhörung vorgehalten werden.

Ich denke, dieses Gesetz wird es nicht bringen. Es wird nicht erfolgreich sein. Machen Sie daraus doch etwas Vernünftiges.

Jetzt haben Sie einfach zwei andere Gesetzentwürfe drangepappt, wie es gestern gesagt wurde. Wir sollen sie gleich mitverhandeln. Ich finde, das ist ein bisschen fragwürdig, obwohl das mit Gesundheit zu tun hat. Aber das wird den Themen zum Teil auch nicht gerecht.

Bei dem Heilberufsgesetz kann ich meinetwegen sagen, es sei prinzipiell sinnvoll, die Bedingungen für die TeilzeitWeiterbildung zu erweitern. Die Sonderstatusstädte ins Krankenhausgesetz mit einzubeziehen, sich um medizinische Aktenbestände zu kümmern und die Investitionsförderung zu erweitern ist sinnvoll.

Strittiger finde ich die Fortschreibung der Privilegierung der Verbundkrankenhäuser. Das war das Lieblingsthema von Herrn Minister Grüttner. Es ist schon ein Fortschritt, dass Herr Klose, anders als sein Vorgänger, Krankenhäuser nicht mehr bestrafen will, wenn sie aus irgendeinem Grund keinem Verbund beitreten. Er will die Verbünde jetzt finanziell besserstellen. Eine finanzielle Besserstellung hätten angesichts der 180 Millionen € Investitionslücke alle Krankenhäuser in Hessen verdient und nicht nur ein paar wenige.

Mir fallen noch ein paar ganz andere Themen ein, die dringend mit einer Änderung des Hessischen Krankenhausgesetzes angegangen werden müssten. Aber Stückwerk ist Schwarz-Grüns liebstes Brot. Diese Erkenntnis ist nicht neu.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Auch Ihr Gesetzentwurf zu einer erweiterten Landarztquote ist kein großer Wurf. Angesichts der vielen Leerstellen gleicht er eher einem Schweizer Käse. Ich bin gespannt, wie die Anzuhörenden das beurteilen werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE)