Reden im Landtag
Christiane Böhm – Gleichberechtigung darf nicht von der Bereitschaft der Amtsleitungen abhängig sein
In seiner 141. Plenarsitzung diskutiert der Hessische Landtag am 20.07.2023 über den Entwurf für das hessische Gleichberechtigungsgesetz in der Dritten und abschließenden Lesung. Dazu unsere Abgeordnete und Landesvorsitzende der hessischen LINKEN Christiane Böhm.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!
Ich fürchte, wir waren jetzt zu schnell. Die Frauenbeauftragten hätten gern oben Platz genommen und unsere Debatte verfolgt. Ich vermute, dass ich sie über den Livestream begrüßen darf.
Ich bin sehr froh, dass die Frauenbeauftragten und Gleichstellungsbeauftragten nicht völlig den Mut und auch nicht völlig den Glauben in den Parlamentarismus verloren haben. Ich will den Regierungsfraktionen nicht vorenthalten, dass die Enttäuschung bei den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten riesengroß ist. Sie haben viel Zeit und Energie in diesen Gesetzentwurf gesteckt. Sie haben eine Stärkung ihrer Position durch eine Änderung des Gesetzes erhofft.
Die Ablehnung der Gesetzentwürfe der Fraktionen der SPD und DIE LINKE war, wörtlich gesagt, eine riesengroße Watsche an die Adresse der Beauftragten. So haben sie es empfunden. So haben sie es mir gegenüber geschildert.
Ganz besonders enttäuscht sind die Beauftragten darüber, dass die zentrale unabhängige Stelle im hessischen Sozialministerium nicht gesetzlich verankert werden soll. Diese Stelle hätte den Auftrag, die Beauftragten zu unterstützen. Sie ist verpflichtet, die Anliegen der Beauftragten zu bearbeiten und zu bescheiden. Das soll frei von Weisungen Dritter geschehen. Sie sollen nur dem Gesetz unterworfen sein. Das wäre der Unterschied zu dem jetzigen Gesetz.
Die Stelle soll darüber hinaus aber noch einiges mehr leisten. Sie soll die Gleichstellungs- und Gleichberechtigungspraxis in Hessen auswerten. Sie soll vieles mehr machen, was zurzeit in Hessen überhaupt nicht passiert. Das ist wesentlich mehr, als im Ministerium angedacht wird. Impulse für eine Gleichstellungspolitik von der bisherigen Stabsstelle fehlen mir und vielen anderen. Ich habe auch nicht mitbekommen, dass die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten von dieser Stelle wirksam unterstützt werden.
Es ist aber dringend erforderlich, die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten durch das Gesetz zu stärken. Es ist keine komfortable Aufgabe, die sich die Kolleginnen zugemutet haben. Sie erleben ständig, dass sie in ihrem Unternehmen oder in ihrer Behörde anecken. Sie stehen häufig vor der Entscheidung, ob sie den Klageweg beschreiten sollen. Wenn sie sich aber bei der Personalabteilung und bei den Vorgesetzten unbeliebt machen, dann sind sie gefährdet, wiederbestellt zu werden.
Unser Gesetzentwurf würde die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten vielfältig schützen. Diesen Schutz haben sie aufgrund ihrer wichtigen und wertvollen Arbeit verdient.
(Beifall DIE LINKE)
Aber trotz vieler Gespräche und umfangreicher Bemühungen der Frauenbeauftragten haben die Regierungsfraktionen diese Herausforderung nicht verstanden. Das sieht man auch an der Widersprüchlichkeit mancher Argumentationen. Frau Ravensburg hat beispielsweise betont, wie gut es sei, dass inzwischen mehr als 50 % der Beschäftigten im öffentlichen Dienst weiblich seien. Das ist aber kein Erfolg. Der öffentliche Dienst war für Frauen schon immer attraktiv. Sie sind aber dort wie in der Wirtschaft nicht in den Leitungspositionen angekommen. Wir haben 60 % Frauenanteil. Dann müssten eigentlich auch 60 % der Leitungspositionen mit Frauen besetzt sein. Davon sind wir aber weit entfernt.
Das wäre übrigens gar kein Erfolg. Das wäre eigentlich nur der Ausdruck der Normalität in einer Gesellschaft mit Gleichberechtigung. Wir sind davon noch meilenweit entfernt, auch in der Landesverwaltung.
Frau Brünnel hat in ihrer Rede wiederholt die hervorragende Zusammenarbeit mit den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten gelobt. Dann frage ich mich, warum Sie sich nicht wenigstens einmal eine kleine Kritik von der LAG herausgenommen und in Ihrem Gesetzentwurf aufgegriffen haben – nicht aus Gnade, sondern um Ihre Bereitschaft zu verdeutlichen, sich mit den Argumenten der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten auseinanderzusetzen.
Ich freue mich darüber, dass die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten, die ich jetzt hier begrüßen darf, trotz dieser Frustration bereits in den Austausch mit dem Juristinnenbund getreten sind, um deren Vorschläge zu diskutieren. Ich bin sehr froh, dass sie sich nicht von den Koalitionsfraktionen ins Bockshorn haben jagen lassen. Auch wenn sämtliche Vorschläge für einen Kompromiss abgelehnt wurden – da gab es einige Wege, die aufgezeigt wurden –, haben sie sich nicht frustrieren lassen.
Vizepräsidentin Karin Müller:
Frau Abg. Böhm, ich wäre froh, wenn Sie zum Schluss kommen.
Christiane Böhm (DIE LINKE):
Ja, das mache ich auch gerne. – Es ist noch viel Überzeugungsarbeit notwendig. Deswegen freue ich mich auf weitere Gesprächsrunden mit den Beauftragten und den frauenpolitischen Sprecherinnen und auf ein neues Gesetz zur Änderung des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes in der nächsten Wahlperiode. – Ich bedanke mich.
(Beifall DIE LINKE)