Reden im Landtag

Hessisches Gesetz zum Schutz der Rechte von schwangeren Frauen bei Schwangerschaftsberatung und –abbruch, Drucksache Nr. 20/384

Christiane Böhm
Christiane Böhm

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

 Seit dem 6. März wird die Palmgartenstraße 14, wo die Pro Familia Frankfurt ihre Beratungsstelle hat, wieder belagert. Somit war Ihre Aussage, Herr Beuth, vorhin nicht richtig. Selbst ernannte Lebensschützer*innen, die viel besser Selbstbestimmungsgegner*innen genannt werden müssten, versuchen Tag für Tag die Arbeit der Pro Familia zu behindern und Schwangere in einer Konfliktsituation an ihrem Recht der körperlichen und sexuellen Selbstbestimmung und auch an der gesetzlichen Pflicht zur Schwangerschaftskonfliktberatung zu hindern. Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss endlich Schluss sein!

 Allen, die der Meinung sind, es handelt sich um eine harmlose Mahnwache, sei gesagt, dass dies eine massive Belästigung mit dem Ziel schwangere Frauen wie Mitarbeiter*innen davon abzuhalten, sich mit einem Schwangerschaftsabbruch zu beschäftigen. Es handelt sich täglich um fünf bis 16 Personen, die mit großen Schildern, die weithin sichtbar sind und mit lauten Gesängen sowie Beten auf sich aufmerksam machen. Sie stehen oder knien über Stunden vor der Beratungsstelle. Die Gesänge sind so laut, dass sie die Beratung stören. In Gießen wird vor der Praxis von Kristina Hänel von Zeit zu Zeit demonstriert, im letzten Jahr standen solche klerikalen Gruppen vor der Pro Familia in Wiesbaden. Angekündigt wurden diese Aktionen vor sechs Einrichtungen in Hessen. Gut, dass es nicht genügend Fanatiker*innen gibt, sodass der Plan nicht vollständig aufgeht. Es ist aber ein Armutszeugnis, dass die öffentliche Gewalt weder die Frauen noch die Mitarbeiter*innen zu schützen in der Lage ist. Wir fordern Sie auf dafür zu sorgen, dass dies jetzt geschieht. 

 Würde es nach der LINKEN gehen, bräuchte es weder die Pflicht zu einer Beratung noch würde der Paragraf 218, der nach wie vor Schwangerschaftsabbrüche als Straftat festschreibt. Aber soweit sind wir noch nicht und es war der Gesetzgeber, der in den langen Debatten um den § 218 StGB die Pflichtberatung vor einem Schwangerschaftsabbruch vorgeschrieben hat. Und nun versagen - auch in Hessen - Teile des Staates, einen geschützten Zugang zur Beratung zu gewähren. Denn immerhin sichert der Gesetzgeber den Frauen, die zur Beratung müssen, im Gegenzug Vertraulichkeit, Anonymität und die vollständige Ergebnisoffenheit der Beratung zu. Und diese drei Prinzipien werden wissentlich und willentlich verletzt. 

 Es gibt in Hessen klare Mehrheiten, in der Gesellschaft, in den kommunalen Vertretungen und ich hoffe auch hier im Hessischen Landtag, diese Drangsalierung von Frauen zu ächten.

Im Frankfurter Römer hat eine klare Mehrheit eine Schutzzone für die Pro Familia beschlossen, nur leider weigert sich der CDU-Ordnungsdezernent diesen Beschluss umzusetzen. In Darmstadt, wo die CDU (und sogar 6 von 7 AfD-Stadtverordneten) den Beschluss der Bannmeile zugestimmt hat, erklärt der dortige CDU-Ordnungsdezernent, dass er keine rechtlichen Bedenken sieht [Darmstädter Echo, 20.3.]. In Gießen wurde einstimmig (bei Enthaltung der AfD) und in Wiesbaden wird zeitnah eine Prüfbitte an die Landesregierung beschlossen, dass Wege aufgezeigt werden, um rechtssicher einen Bannkreis von 150 Metern aussprechen zu können. Das unterstützt den Prüfauftrag im Koalitionsvertrag, dass eine versammlungsrechtliche Lösung für eine Bannmeile gefunden werden soll.

 Alles das nützt zurzeit leider den Mitarbeiter*innen und Beratung Suchenden der Pro Familia Frankfurt nicht viel. Herr Innenminister Beuth hat heute wieder erklärt, dass er daran festhalte, eine Lösung im Rahmen der Verabschiedung eines Hessischen Versammlungsgesetzes zu finden. Wir alle wissen, dass damit vor dem Jahr 2021 mit Sicherheit keine Lösung seitens der Landesregierung vorliegen wird. Die Mahnwachen gehen aber solange weiter, im Herbst, im Frühjahr – 80 Tage pro Jahr können Schwangere keine ungestörte Beratung wahrnehmen, können sich Menschen nicht ungestört zu Fragen der Sexualaufklärung, der Familienförderung, des Adoptionsrechts – auch das macht die Pro Familia im gesetzlichen Auftrag – informieren. Herr Beuth, ich frage Sie, das kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein? Ich frage auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wie lange wollen Sie zugucken, wie können Sie das mit dem Anspruch auf das Selbstbestimmungsrecht von Frauen vereinbaren?

 Weil uns das zu lange dauert, hat sich meine Fraktion entschieden, Ihnen heute einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sich ganz konkret dem Thema Schutz des anonymen, vertraulichen und ergebnisoffenen Beratungsgesprächs widmet. Wir haben uns dabei am bereits gültigen Bannmeilengesetz des Hessischen Landtags orientiert. Wir sind als LINKE der klaren Auffassung, dass der Hessische Landtag keine Bannmeile braucht, es braucht eher öfter wütende Bürgerinnen und Bürger direkt vor dem Landtag, die den Regierenden ihre politischen Fehlentscheidungen vor Augen führen. Wir sind als Abgeordnete alle Personen des öffentlichen Lebens und haben uns freiwillig dafür entschieden, während eine ungewollte Schwangerschaft eben keine freie Entscheidung ist. Während wir kein Problem damit haben müssten, zwischen Demonstrationsschildern zum Landtag zu gehen, sichert das Gesetz Schwangeren Anonymität und Vertraulichkeit zu. Das ist genau der Unterschied und erklärt sehr gut, warum wir die bestehende Bannmeile ablehnen und zugleich eine Schutzzone um Beratungsstellen, Arztpraxen und Kliniken fordern. 

 Und diese Schutzzonen, das ist uns ganz wichtig, sind keine Demonstrationsverbotszonen. Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind sehr hohe Güter, gerade dann, wenn einem die jeweiligen Veranstaltungen nicht gefallen. Deswegen haben wir die Beschränkungen deutlich begrenzt: thematisch, zeitlich, räumlich und auch nur für Dauerkundgebungen. Wir halten uns damit an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und folgen den Argumentationsgründen zum Fall Freiburg, wo das Verbot einer Gehsteigberatung bis zum Bundesverwaltungsgericht Bestand hatte. In der letzten Woche hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe eine Eilentscheidung zu der Verfügung der Stadt Pforzheim getroffen. Das Gericht urteilte, dass die Versammlungsbeschränkungen voraussichtlich rechtmäßig seien, da die Versammlung zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts insbesondere derjenigen Frauen, die sich in einer Schwangerschaftskonfliktsituation befinden, führe. Weiter würde auch das Beratungskonzept des Schwangerschaftskonfliktgesetzes nachhaltig beeinträchtigt. Dies stelle eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, welche die Beschränkungen rechtfertige. Es gibt aber auch in anderen Ländern wie Österreich und Kanada ähnlich gelagerte Vorschriften und Gesetze. Deshalb: trauen Sie sich und stimmen unserem Gesetzentwurf zu. 

 Ich weiß, dass ich für unseren Vorstoß auf eine große Mehrheit hier im Hause vertrauen könnte – wären da nicht die Zwickmühlen einer Koalition. Und deshalb rufe ich die Koalitionsfraktionen auf: Erklären Sie die Abstimmung zu diesem Gesetzentwurf zu einer Gewissensentscheidung. Frau Förster-Heldmann hat aus guten Gründen für eine Schutzzone von 150 Metern plädiert [FR, 13.3.] und die CDU-Fraktion aus dem Wahlkreis des Ministerpräsidenten unterstützt nicht ohne Grund eine Bannmeile um die Praxis von Kristina Hänel.

Lassen Sie uns klar erkennbar machen, wer für die Wahlfreiheit der Frauen eintritt und nicht welche Regierungsmehrheiten es zu sichern gilt. Das haben die Frauen, um deren körperliche und sexuelle Selbstbestimmung es hier geht, und auch die betroffenen Mitarbeiter*innen der Pro Familia Frankfurt verdient.

Vielen Dank