Reden im Landtag

Christiane Böhm - Unterfinanzierte Beratungsstellen und große Lücken beim Schwangerschaftsabbruch

Christiane BöhmFrauenGesundheit

In seiner 92. Plenarsitzung am 14. Dezember 2021 debattierte der Hessische Landtag zum Schwangerschaftskonfliktgesetz. Dazu die Rede unserer frauen- und gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Leider haben Sie unseren Änderungsantrag abgelehnt. Ich finde das sehr schade. Frau Brünnel, danken und klatschen allein reicht absolut nicht. Es ist notwendig, den Beratungsstellen die Wertschätzung in barer Münze auszuzahlen und ihre Arbeit tatsächlich wertzuschätzen, indem Sie ihnen das Geld zur Verfügung stellen, damit sie ihre Mitarbeiterinnen ordentlich bezahlen können. Es handelt sich um Frauenarbeitsplätze, die auskömmlich finanziert werden müssen. Das wäre die Aufgabe für diesen Gesetzentwurf gewesen. Dem haben Sie nicht entsprochen.

(Vereinzelter Beifall DIE LINKE)

  • Ja, okay.

(Vereinzelter Beifall SPD)

  • Danke, danke, Fremdklatscher. – Ich möchte noch einmalauf einige konkrete Punkte aus der zweiten Lesung eingehen, die gegen unseren Änderungsantrag vorgebracht worden sind.

Frau Brünnel, Sie haben gesagt, die Anrechnungen der Ärztinnen und Ärzte auf null zu setzen, würde bedeuten, dass wir den Frauen diese Möglichkeit vorenthalten würden. Das wollen wir absolut nicht. Natürlich dürfen Frauen zu Ärztinnen und Ärzten gehen, sich dort beraten lassen, dort ihren Beratungsschein holen und den Abbruch dort vornehmen lassen. Darum geht es aber nicht. Es geht nicht darum, dass die Ärztinnen und Ärzte nicht mehr beraten sollen, sondern diese Beratungsanteile sollen nicht mehr auf die Beratungsstellen angerechnet werden. Das soll nicht mehr auf Kosten des Beratungsangebots in den Fachstellen gehen.

Wir haben Ihnen deutlich gemacht, dass es nur ein Teil der Arbeit ist, den die Ärztinnen und Ärzte leisten, und dass der Aufgabenbereich der Beratungsstellen wesentlich umfangreicher ist. Kapieren Sie es doch endlich. Ich fordere Sie auf, für die Versorgungssicherheit von Frauen und Mädchen zu sorgen und mehr Beratungsstellen zur Verfügung zu stellen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Sie haben sich intensiv mit der Umsetzung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes beschäftigt, § 13 Abs. 2. Das ist schon einmal ein Fortschritt; denn bisher haben Sie so getan, als hätte das Land überhaupt nichts damit zu tun, entsprechende Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, damit Schwangerschaftsabbrüche auch tatsächlich möglich sind.

(Zuruf)

Immerhin denken Sie schon einmal darüber nach. Dann hat unsere Diskussion schon einmal etwas genutzt. Wir haben hier das Hessische Ausführungsgesetz zum Schwangerschaftskonfliktgesetz. Genau darin muss natürlich auch § 13 Abs. 2 geregelt werden. Frau Gersberg ist vorhin schon einmal auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages eingegangen. Ich möchte es Ihnen auch noch einmal zitieren; so ein Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages ist ja keine ganz unwesentliche Einrichtung. Dort wurde ganz deutlich gesagt:

Eine Lösung ist denkbar [für die Schaffung von neuen Schwangerschaftsabbruchstellen] etwa durch gesetzliche Regelungen der Länder,

– damit ist Hessen gemeint – mit denen sie (zumindest den öffentlichen) Krankenhäusern die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen verbindlich auferlegen, um ihrem Sicherstellungsauftrag gerecht zu werden.

(Zuruf)

Das sagt der Wissenschaftliche Dienst. Dann können Sie nicht sagen, das Land Hessen habe damit nichts zu tun.

(Zuruf Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Genau das haben wir auch in unserem Änderungsantrag gefordert. Wir bitten Sie, diesem zu entsprechend und dem Sicherstellungsauftrag tatsächlich Genüge zu tun.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Frau Gersberg, es war zu doll, was Herr Klose gesagt hat, ich muss es auch noch einmal wiederholen. Es war einfach zu heftig. Manchmal überlege ich, wer Ihnen die Reden schreibt, Herr Klose. So was von empathielos, als könne man als schwangere Frau im Vorfeld eines Schwangerschaftsabbruchs den ganzen Tag mit dem ÖPNV herumfahren und danach wieder heimfahren. Klar, ich kann auch nach Berlin oder in die Niederlande fahren, um einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Na klar kann man sagen: Ist doch alles super, es ist alles möglich, mit dem Zug ist alles drin.

Sie haben überhaupt keinen Einblick in die Lebensrealität von Frauen. Ganz viele Frauen, die einen Abbruch machen, haben bereits mehrere Kinder. Was machen sie denn dann mit den Kindern? Nehmen sie sie mit auf ihre Tour durch die ganze Welt? Was für Folgen hat so ein Schwangerschaftsabbruch? Der geht psychisch und physisch nicht so ganz an einem vorbei, dass man dann mit Bus und Bahn über alle Strecken in Hessen hinwegfährt. Das ist wirklich eine völlig empathielose Äußerung, die Sie hier gebracht haben. Das macht deutlich, dass Sie keinen Einblick in diese Lebensrealität haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD und Freie Demokraten)

Präsident Boris Rhein:

Sie müssten bitte zum Ende kommen.

Christiane Böhm (DIE LINKE):

Ihnen fehlt auch der Wille, das besser zu regeln. Leidtragende sind die ungewollt Schwangeren in diesem Bundesland. Bedanken können sie sich bei Schwarz-Grün. – Ich bedanke mich auch bei Ihnen.

(Beifall DIE LINKE)