Reden im Landtag

Christiane Böhm - Schwarzgrün lässt Menschen ohne Krankenversicherung im Stich

Christiane Böhm
Christiane BöhmGesundheit

In seiner 63. Plenarsitzung am 11. Dezember 2020 diskutierte der Hessische Landtag abschließend über unseren Gesetzentwurf zur Schaffung von Clearingstellen für Menschen ohne Krankenversicherung. Dazu die Rede unserer geundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Minister, Sie sagen, Sie wollen nicht, dass Menschen wegen fehlender Krankenversicherung gesundheitlich unterversorgt werden. Zurzeit ist es aber so. Genau so passiert es. Genau so haben uns das die Anzuhörenden geschildert, obwohl die Anzuhörenden meistens aus den Wohlfahrtsverbänden und aus den Straßenambulanzen kamen.

Sie haben gesagt, sie seien nicht mehr in der Lage, die Leistungen zu erbringen, die notwendig seien, um die Menschen gesundheitlich zu versorgen. Denn ihre Mittel und ihre Ressourcen sind begrenzt. Sie werben die Spenden und das Geld mit ihren eigenen Händen ein, die sie brauchen, um den Leuten eine gesundheitliche Versorgung zukommen zu lassen. Das Geld reicht nicht mehr aus. Sie haben uns wirklich dringlichst gebeten, etwas zu tun.

So ganz ernst scheinen Sie das nicht genommen zu haben. Ich bin erfreut, dass Sie zumindest einige Impulse aufnehmen und mit den Krankenkassen über das Thema reden. Es war schon lange genug Zeit. Aber es ist gut, dass es passiert.

Ich will mich an den Themen noch einmal abarbeiten. Herr Dr. Bartelt hat, Gott sei Dank, das Ganze sortiert. Er hat deutlich gemacht, was Sie jetzt vorhaben.

Es geht um den Behandlungsfonds. Dazu will ich nur sagen: Unser Gesetzentwurf hat einen Kostenfaktor von 6,8 Millionen € und nicht von 8 Millionen €. Man muss nicht immer gleich aufschlagen.

Den großen Teil macht der Behandlungsfonds aus. Auch Sie werden Geld in den Behandlungsfonds stecken müssen. Das ist die zentrale Frage. Dieser Fonds wird so lange notwendig sein, solange wir es nicht schaffen, auf Bundesebene oder vielleicht sogar auf der Ebene der Europäischen Union eine tatsächlich sachgerechte Lösung zu finden. So lange werden Sie das Geld dafür einsetzen müssen. Werfen Sie uns bitte nicht vor, dass wir unnötig Geld verschwenden wollten. Denn Sie werden dieses Geld genauso einsetzen müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Das zweite Thema ist, wie die Institutionen, die schon hinsichtlich der Frage der Gesundheitsversorgung für Nichtversicherte tätig sind, unterstützt werden können. Sie nennen da die kommunalen Gesundheitsämter. Das ist ganz schlecht. Sie sind gerade mit vielen anderen Dingen beschäftigt. Es gibt genau ein Gesundheitsamt, das sich intensiv mit dieser Frage bis zum Beginn der Pandemie beschäftigt hat. Sie mussten dann aus diesem Aufgabengebiet Leute abziehen, um die Pandemiefolgen bearbeiten zu können. Da geschieht also nur noch ein Teil.

Bei den Wohlfahrtsverbänden sind fast alle ehrenamtlich tätig. Sie haben die Malteser hier doch gehört, die gesagt haben: Wir brauchen dieses Gesetz dringlichst. Wir brauchen die Clearingstellen dringlichst. Das ist extrem notwendig.

So viele Superlative kann man gar nicht verwenden. Sie sagen: Wir machen es zwar, aber wir kommen dabei weit über unsere Grenze hinaus. Wir können es unseren Ehrenamtlichen nicht mehr zumuten, sagen zu müssen: Nein, für die Operation, für diese Behandlung ist kein Geld mehr da. Wir müssen die Menschen sterben oder leiden lassen.

Das gilt auch für die Notfallversorgung. Herr Bocklet, ich habe versucht, Ihnen das während der Ausschusssitzung zu erklären. Das ist noch eine Notfallversorgung. Dann laufen die Leute halt nicht nur ohne Zähne herum. Ihnen fehlt dann auch eine Niere, oder es fehlen andere Teile des Körpers, weil nur im Notfall versorgt wurde, aber keine längerfristige tatsächliche Behandlung insbesondere von chronischen Erkrankungen möglich ist.

Schauen Sie sich bitte einmal die Realität an. Das könnten Sie eigentlich schon im Asylbewerberleistungsgesetz gelesen haben, zumindest, wenn man es nicht weiß. Es ist so eindeutig, dass es keine normale Versorgung ist, sondern nur eine Versorgung für den akuten Notfall. Dann wird eine Schmerzbehandlung vorgenommen und nichts weiter, und nichts darüber hinaus.

(Beifall Torsten Felstehausen (DIE LINKE))

Wir sind ja dafür, dass sich auf Bundesebene gesetzlich etwas ändert. Das ist notwendig. Aber bis wir das schaffen, brauchen wir dieses Clearing auf der regionalen Ebene. Wir können das Gesetz auch gerne befristen. Ich denke, bei einer Siebenjahresbefristung sind wir gar nicht schlecht dran: Bis sich auf EU-Ebene etwas tut, dauert es noch ewig, selbiges gilt für die Bundesebene; denn es wird schon ewig daran gearbeitet, noch mal ein Beitragsschuldenerlassgesetz auf den Weg zu bringen. Das hat ja noch nicht stattgefunden.

Auch insgesamt zur Frage, wie dieser Krankenversicherungsschutz für alle tatsächlich umgesetzt werden sollte: Dazu gibt es schon Anträge, auch von unserer Bundestagsfraktion. Das ist bisher samt und sonders abgelehnt worden. Wenn Sie Ihren Einfluss dort geltend machen: Gerne, das würde mich sehr freuen. Aber ich glaube, wir werden darauf noch ein bisschen warten müssen. So lange müssen wir hier in Hessen Lösungen schaffen. Es ist nichts nachhaltiger, als die Leute tatsächlich wieder in die Krankenversicherung hineinzubringen.

Präsident Boris Rhein:

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Christiane Böhm (DIE LINKE):

Ja. – Ein anonymer Krankenschein mit dem Behandlungsfonds, das alles ist nur eine vorübergehende Lösung für den Einzelfall und die einzelne Situation. Wenn die Leute wieder krankenversichert sind, dann ist das Problem grundsätzlich gelöst. Eben diese Clearingstellen sollen diese grundsätzliche Lösung der Probleme der Menschen voranbringen. Deswegen, denke ich, wäre es dringend notwendig, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. – Danke schön