Reden im Landtag

Christiane Böhm - Personal im Gesundheitswesen braucht den Zugang zu regelmäßigen Tests

Christiane Böhm
Christiane BöhmCoronaGesundheit

In seiner 42. Plenarsitzung am 28. Mai 2020 diskutierte der Hessische Landtag über Corona-Reihentestungen in Altenheimen. Dazu die Rede unserer gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!

Ich hoffe, dass die Selbstgespräche jetzt beendet sind.

Der Hessische Rundfunk hat in den letzten Tagen recherchiert und festgestellt, dass 43 % der Menschen, die in Hessen mit oder durch Corona gestorben sind, in Pflegeheimen gelebt haben. Bundesweit ist es etwa ein Drittel. Wir hatten in einigen Kreisen, insbesondere im Odenwaldkreis, echte Hotspots in Pflegeheimen.

Aber worauf ich noch einmal den Fokus setzen will – ich glaube, das hat bisher noch keiner gesagt –: Besonders gefährdet sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Alten- und Pflegeheimen. Im Schwalm-Eder-Kreis waren es 57, die infiziert waren, in Offenbach 44. Das sind keine geringen Zahlen. Ich denke, wir sollten auch an die Gefährdung und die Situation der Kolleginnen und Kollegen dort denken.

Ist das zu verhindern? Ich bin der Meinung: ja. In Frankfurt hat das Testmobil eine Zeit lang die Altenhilfeeinrichtungen regelmäßig angefahren. Minister Klose konnte uns im Ausschuss nicht sagen, warum diese Regel jetzt nicht mehr gelten soll. Es schien aber etwas erfolgreich zu sein. Am Anfang gab es ordentlich Hotspots; manche kamen auch erst später heraus. Aber seitdem scheint es wohl nicht mehr die großen Ereignisse in den Altenheimen in Frankfurt gegeben zu haben.

Das Saarland hat schon sehr früh die Reihentests eingeführt. In NRW sind Tests für die Aufnahme in den Alteneinrichtungen obligatorisch. Bayern hat jetzt Reihentests für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Patientinnen und Patienten und Bewohnerinnen und Bewohner in Kliniken, Pflege- und Altenheimen beschlossen. Übrigens soll dort auch das Personal in Kitas und Schulen häufiger getestet werden – auch eine Forderung, die wir gestellt haben –, natürlich alles freiwillig.

Ich denke, diese Möglichkeiten des Testens – meine Vorredner haben es zum Teil schon gesagt – sind dringend erforderlich. Sie müssen genutzt und sinnvoll angewendet werden.

Zeitweise wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Altenheime nur vertröstet. Sie haben keine Rückmeldung zu ihren Tests bekommen. Sie haben permanent nachfragen oder kilometerweit fahren müssen. Gott sei Dank hat sich zumindest im Odenwald die Situation durch unser ständiges Bohren ein bisschen entspannt. Aber es ist dringend erforderlich, die regelmäßige Testung vorzunehmen.

Ich denke, dafür brauchen wir ganz sicher nicht die AfD. Das haben wir von Anfang an gefordert. Das ist von Anfang an sinnvoll gewesen. Es ist immer noch sinnvoll.

(Zuruf Volker Richter (AfD))

Die Frage ist, warum es vonseiten der Landesregierung nicht durchgeführt wird.

(Beifall DIE LINKE)

Ich weiß, Herr Klose gibt uns zu bedenken, dass es immer nur eine trügerische Sicherheit ist. Aber es ist ab und zu ein gutes Gefühl für die Beschäftigten, für die Bewohnerinnen und Bewohner und für die Angehörigen, eine Sicherheit zu haben. Die Beschäftigten fühlen sich gerade zu Zeiten der massiven Besuchseinschränkungen unsicher, ob sie nicht diejenigen sind, die das Virus ins Altenheim bringen. Ich denke, für diese Sicherheit wäre es notwendig, das Testen zu organisieren.

Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege hat im April einen offenen Brief an den Ministerpräsidenten geschrieben und die flächendeckende Testung gefordert. Anlass war die kurzfristige Besuchserlaubnis, die innerhalb von drei Tagen in den Altenheimen hätte umgesetzt werden müssen. Der Druck auf die Einrichtungen war sehr massiv. Die Familien wollten endlich wieder ihre Angehörigen sehen. Da kann die Leitung nicht sagen: Wir brauchen jetzt noch ein oder zwei Wochen, um unser Hygienekonzept umzusetzen. – Dies war wirklich eine völlige Fehlleistung der Hessischen Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt SPD und Yanki Pürsün (Freie Demokraten))

Die Entscheidung, Besuche wieder zuzulassen, ist allerdings richtig. Denn wie viel Leid hat der Lockdown gerade in die Altenheime gebracht? Menschen, die durchaus selbst für sich entscheiden können, durften die Einrichtung nicht mehr verlassen, durften keinen Kontakt mehr außer am Telefon haben. Ehepaare, die sich sonst täglich getroffen haben, wurden getrennt. Sicher haben Sie auch noch den 84Jährigen vor Ihren Augen, der vor lauter Trauer, seine Frau nicht sehen zu dürfen, zu einer Corona-Leugner-Verschwörungsdemo gegangen ist. So weit kommt es schon.

Wir haben in den Altenheimen eine ganz besondere Situation. Hier trifft Corona ganz deutlich auf den Kapitalismus und einen völlig unterversorgten Teil unseres Gesundheitsund Sozialwesens. Diese Versäumnisse sind schon viel älter. Während wir bei den Krankenhäusern noch einen großen Teil kommunaler und gemeinnütziger Einrichtungen haben, sind in der Altenpflege nur noch 10 % der Beschäftigten im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Dies führt zu einer viel schlechteren Bezahlung als in allen anderen Feldern des Gesundheitswesens, bei einer gleichzeitig höheren Arbeitsbelastung, Schichtbetrieb und permanentem Personalmangel.

Vizepräsidentin Karin Müller:

Frau Abg. Böhm, es wird Zeit für den letzten Satz.

Christiane Böhm (DIE LINKE):

Schon jetzt? – Mit meinen letzten Sätzen würde ich gerne aufgreifen, dass Sie die pflegenden Angehörigen überhaupt nicht im Blick haben. Sie werden überhaupt nicht unterstützt. Die Tagespflegen wurden einfach geschlossen. Die Menschen wissen überhaupt nicht, wie sie dafür sorgen sollen, dass ihre Angehörigen betreut werden. Hier erwarten wir von der Landesregierung eine Lösung. Dieses Thema wurde überhaupt noch nicht angegangen. – Danke sehr.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)