Reden im Landtag

Christiane Böhm - Im Interesse der Gastronomie muss die vierte Welle verhindert werden

Christiane BöhmCoronaGesundheitWirtschaft und Arbeit

In seiner 81. Plenarsitzung am 8. Juli 2021 diskutierte der Hessische Landtag auf Antrag der FDP über die Aufhebung der Testpflicht in der Innengastronomie. Dazu die Rede unserer gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm,

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es muss am Nahen der Bundestagswahl liegen, dass die FDP in ihre alte Rolle als „Mövenpick-Partei“ zurückfällt.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe Freie Demokraten)

Anders ist die Aktuelle Stunde in dieser Form nicht zu erklären. Oder haben Sie alles, was Sie zur Ausbreitung von Aerosolen in geschlossenen Räumen inzwischen gelernt haben, erfolgreich vergessen? Soweit ich weiß, sind Sie auch für Testen in den Schulen. Aber warum gegen eine Testpflicht in der Innengastronomie? Wo liegen hier Ihre Prioritäten?

Ich muss Ihnen deutlich sagen – ich denke, Herr Pürsün wird es mir bestätigen, er hat viele Berichtsanträge dazu gestellt –: Die Pandemie ist nicht vorbei, und genau deshalb ist die Testpflicht in den Innenräumen auch weiterhin notwendig und zielführend.

(Dr. Stefan Naas und Wiebke Knell (Freie Demokraten): Nur in Hessen!)

Eine solche Testpflicht hat eine bewusste und gewollte Lenkungswirkung: Wo immer es möglich ist, setzen sich die Menschen in die Außengastronomie, und das ist aus pandemischen Gesichtspunkten nur zu begrüßen.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): DIE LINKE in Thüringen ist schon viel weiter!)

Natürlich sind viele Personen gar nicht mehr davon betroffen, weil sie geimpft worden sind oder weil sie die Genesenenbescheinigung bekommen. Da wird dieses Problem täglich kleiner und kleiner.

Wenn wir jetzt Ihrem Antrag folgen und möglichst alles umfassend wieder öffnen würden, wissen Sie, für wen es dann schädlich wäre? Genau für die Gastronomieunternehmen, für die Sie sich heute so starkmachen wollen. Diese könnten nämlich bei einer vierten Welle alle Stühle und Tische gerade wieder zusammenklappen und zumachen. Da ist Ihre politische Forderung schlicht und ergreifend kurzsichtig.

(Beifall DIE LINKE)

Ich glaube auch nicht, dass die Testpflicht in der Innengastronomie jetzt so das große Problem ist.

(Zuruf Wiebke Knell (Freie Demokraten): Fahren Sie einmal nach Willingen!)

Viele Gemeinden haben sehr großzügig der Außengastronomie Flächen genehmigt. Oft müssen keine Nutzungsgebühren dafür bezahlt werden. Es liegt nicht unbedingt an dem bewirtbaren Platz. Es gibt auch genügend Menschen, die dort sitzen, wenn sich das Wetter entsprechend darstellt.

Eher ist es so, dass die Gastronomie einen Mangel an Personal hat, um diese Menschen zu bedienen. Diese Testpflicht, die Sie so vehement ablehnen, ist nicht nur ein Schutz für die Gäste, sondern gerade für das Personal. Angesichts der harten Arbeit, die dort geleistet werden muss, und dem geringen Lohn, der dort gezahlt wird, haben sich inzwischen auch viele Beschäftigte umorientiert. Bei den geringen Ausgangslöhnen konnten sie auch von dem Kurzarbeitergeld nicht leben. Ob sie jetzt wieder in die Gastronomie zurückkehren – schon gar nicht, wenn ihre Gesundheit gefährdet ist –, das darf schwer bezweifelt werden.

Es wird Zeit, dass die FDP erkennt, dass Gastronomie nicht nur Inhaber und Inhaberinnen sind, Wirte und Wirtinnen, sondern es sind vor allem die Beschäftigten. Wenn Sie wirklich etwas für die Gastronomie tun wollen, dann setzen Sie sich doch bitte für gute Arbeitsbedingungen, eingehaltene Arbeitsschutzbestimmungen und existenzsichernde Löhne ein.

(Beifall DIE LINKE)

Ich sehe durchaus den Widerspruch zwischen höheren Löhnen und höheren Preisen, die dann die Gäste zahlen müssen. Einmal abgesehen von Mövenpick

(Wiebke Knell (Freie Demokraten): Klar, nur Kaviar und Lachs!)

und anderen großen Unternehmen gibt es viele Gastronomiebetriebe, die froh sind, über die Runden zu kommen. Höhere Preise müssen bezahlt werden können. Kurzarbeiter und Kurzarbeiterinnen haben meistens nicht das Geld, um sich Essen und Getränke in der Gaststätte zu leisten. Deswegen brauchen wir auch ein Mindestkurzarbeitergeld von 1.200 €, genauso wie eine längere Bezugszeit beim Arbeitslosengeld, damit Menschen nicht in die Armut fallen. Wir brauchen höhere Löhne. Die Erhöhung des Mindestlohns auf 13 € ist das Mindeste, auch um gerade das Tarifsystem zu stabilisieren und es wenig lukrativ zu machen, sich aus dem Arbeitgeberverband zu verabschieden.

Mehr soziale Gerechtigkeit dient ganz besonders den kleinen und mittleren Betrieben und den Selbstständigen. Dazu gehören auch die Vermögensabgabe und die Vermögensteuer, mit der diese Krise dann bezahlt werden muss. Wenn Sie sich dafür einsetzen, würden Sie wirklich tatsächlich langfristig etwas Gutes für Hessen und die Gastronomie tun. – Ich bedanke mich.

(Beifall DIE LINKE)