Reden im Landtag

Christiane Böhm - Hessen braucht einen Gesundheitsplan

Christiane Böhm
Christiane BöhmGesundheit

In seiner 54. Plenarsitzung am 30. September diskutierte der Hessische Landtag über unseren Gesundheitsplan für Hessen. Dazu die Rede unserer gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

Vielen Dank an die SPD, dass Sie dieses Thema gesetzt haben. Ich denke, es ist ein ganz wichtiges Thema, auch angesichts der heute stattfindenden Gesundheitsministerkonferenz. Sie haben in Ihrem Antrag deutlich gemacht, dass gerade die Krankenhausfinanzierung ein zentraler Baustein in der hessischen Krankenhauspolitik ist. Schon allein die Hessische Krankenhausgesellschaft sagt, dass 180 Millionen € im Jahr für Investitionen fehlen. Wir sagen, es sind 235 Millionen €, weil man natürlich das Geld dazuzählen muss, das Sie den Kommunen weggenommen haben.

(Beifall DIE LINKE)

Deshalb werden wir dem Antrag der SPD auch gerne zustimmen. Allerdings – Frau Dr. Sommer hat schon ein paar Hinweise gegeben – reicht es aus unserer Sicht nicht, tatsächlich bei den Finanzen stehen zu bleiben. Das ist für uns als LINKE zu wenig. Wir erwarten von dieser Landesregierung einen umfassenden Plan zur Sicherstellung der hessischen Gesundheitsversorgung.

Aber wie sieht es aus? Mitten in den Sommerferien haben Sie still und leise einen Krankenhausplan 2020 vorgelegt, mehrere Jahre zu spät, trotzdem inhaltlich völlig flach. Was Sie versäumt haben, bzw. die Expertise ist nicht da, wie Frau Dr. Sommer schon sagte: Es gibt keine ernsthafte wissenschaftliche Versorgungs- und Bedarfsplanung. Die Krankenhausplanung erfolgt in Hessen immer noch mit Bettenzählen, und zwar nach der Hill-Burton-Formel aus dem Jahr 1960. Ich weiß nicht, ob Sie sich nicht dafür schämen, Konzepte aus dem letzten Jahrhundert, 60 Jahre alt, auf eine moderne Krankenhauspolitik anzuwenden. Aber das ist nur das eine, was Sie völlig versäumen. Sie glauben auch, die stationäre Versorgung völlig isoliert von der ambulanten oder intersektoralen Versorgung – heute müssen wir von sektorenfreier Versorgung sprechen – planen zu können. Das aber ist Humbug.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Aber was hat das für Auswirkungen? In Ihrem „Krankenhausplan“ – ich setze das in Anführungszeichen – sagen Sie, dass die Anbieterstruktur im Krankenhausbereich noch immer durch zu viele Krankenhausstandorte gekennzeichnet ist. „Zu viele“ hört sich für mich nicht nach Planung an. Das hört sich eher wie ein Vorzeichen für den nächsten Kahlschlag an, den wir zu befürchten haben. Und wo soll der erfolgen? Auch darauf gibt es Hinweise in Ihrem Krankenhausplänchen: Sie sehen in vier Bereichen Überkapazitäten. Es hat mich jetzt nicht richtig gewundert, dass diese Überkapazitäten in genau den Bereichen verortet sind, in denen Patientinnen und Patienten feststellen, dass es dort viel zu wenige Kapazitäten gibt. Das betrifft die Kinderund Jugendmedizin, die Kinder- und Jugendpsychiatrie, wo es lange Wartezeiten gibt, bis man einen Platz bekommt, die psychosomatische Medizin und Psychotherapie und die Geburtshilfe und Frauenheilkunde. Auf so einen Unsinn kann wirklich nur jemand kommen, der die Planungen am Reißbrett mit mathematischen Formeln vornimmt und sich weder für die wissenschaftlichen Erkenntnisse noch für die Realität der Menschen interessiert.

(Beifall DIE LINKE)

Betrachten wir einmal das Beispiel Geburtshilfe. Wir haben in der letzten Plenarsitzung über die Situation der Hebammen in Hessen diskutiert. Sie haben mit dem Hebammengutachten auch deutlich festgestellt, dass es eine Unterversorgung gibt. Reicht Ihnen eigentlich die Schließung jeder dritten Geburtsstation in Hessen immer noch nicht aus? Wollen Sie noch mehr streichen? Haben Sie das dem runden Tisch Hebammenversorgung auch so mitgeteilt? Nein, wir erwarten von Ihnen tatsächlich Lösungen für eine flächendeckende Versorgung mit Geburtshilfe und nicht einen solchen Quatsch.

Ich gehe zum nächsten Thema über. Das beste Beispiel in Ihrem „Plan“ ist die Personalbemessung. Das Pflegepersonal kommt in Ihrem Landeskrankenhausplan nur dann vor, wenn auf die Personaluntergrenzenverordnung abgestellt wird. Aber es wundert mich nicht, der Landeskrankenhausausschuss ist ja nicht sehr paritätisch zusammengesetzt. Diese Untergrenzenverordnung aber ist völlig unzureichend, das sind Durchschnittswerte. Zu wenige Bereiche werden einbezogen und viel zu wenig kontrolliert.

Es gibt eine Vorlage von Anfang des Jahres: die Pflegepersonalregelung 2.0 von ver.di, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat. Machen Sie sich doch endlich stark dafür, dass dies auf Bundesebene umgesetzt wird. Das wäre wirklich ein echter Fortschritt.

(Beifall DIE LINKE)

Diese Hessische Landesregierung scheint auch gerne vom Balkon zu klatschen, aber Sie müssen endlich etwas tun, um für eine Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen in den Krankenhäusern zu sorgen.

Gestern waren wir mit jungen Leuten vom UKGM unterwegs. Sie haben mir erzählt, dass Azubis in der Krankenpflege unter den Anforderungen der Ausbildung für ihre Tätigkeit zusammenbrächen und überlegten, ihre Ausbildung abzubrechen. Andere gingen nach einem Jahr aus dem Beruf. Wenn Sie nicht endlich etwas an der Pflegesituation im Krankenhaus ändern, werden Sie demnächst noch weniger Pflegekräfte haben, aber niemanden zurückgewinnen. Es ist notwendig, ein deutliches Signal an die Pflegekräfte zu senden, dass sich die Arbeitsbedingungen grundsätzlich ändern.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Aber was brauchen wir? Wir brauchen wirklich einen Plan. Der Duden definiert Planung als eine „Vorstellung von der Art und Weise, in der ein bestimmtes Ziel verfolgt, ein bestimmtes Vorhaben verwirklicht werden soll“. Davon aber ist Ihr Krankenhausplan aus dem Hause Klose weit entfernt. Stattdessen brauchen wir tatsächlich ein mehrstufiges Konzept. DIE LINKE hat Ideen, wie man zu einer solchen Planung kommt, auch durchaus vorgelegt.

Wir brauchen ein wissenschaftliches Gutachten zur Versorgungssituation und -planung. Dieses muss deutlich machen, wie Versorgungssicherheit und Qualitätsstandards zu gewährleisten sind. Es muss klar sein, dass die Personalmindeststandards eingehalten werden. Ambulante, intersektorale Angebote, die Altenpflege, die Heilmittelerbringerin, der Rettungsdienst, der öffentliche Gesundheitsdienst, das Hospizwesen – all diese Akteure müssen in eine umfassende Gesundheitsplanung einbezogen werden. Wir können doch heute nicht mehr im Klein-Klein planen, wir sehen doch, dass alles zusammenhängt, sodass, wenn wir an einer Stelle etwas wegnehmen, die andere Stelle zusammenbricht.

Und wir brauchen – das Wort „flächendeckend“ fehlt im Landeskrankenhausplan ganz deutlich – eine zeitnahe Erreichbarkeit für die Patientinnen und Patienten, aber auch für die Angehörigen, auch mit dem ÖPNV. Wir denken, eine gute Marge wäre, dass man in 30 Minuten die nächste stationäre Einrichtung erreicht haben muss.

Auf Basis dieses Gutachtens soll es eine umfassende Bedarfsplanung unter Beteiligung aller relevanten Akteure geben, also nicht nur derer, die die Krankenhäuser betreiben, sondern auch derer, die darin arbeiten, der Gewerkschaften, Patientenorganisationen usw. Diese sollen zentrale Vorgaben auf eine regionale Ebene geben. Wir haben die Gesundheitskonferenzen, wir können sie stärken und damit wirklich arbeiten, um eine demokratische Organisation vor Ort zu entwickeln, sodass die Menschen und Akteure vor Ort an der Beantwortung der Frage beteiligt sind, was genau notwendig ist und wie es tatsächlich umgesetzt werden kann. Das wäre dann eine wirklich ordentliche Versorgungsplanung statt eine dieser kontextlosen Krankenhausplanungen.

Das alles haben wir in unserem Diskussionspapier zusammengestellt, das wir mit vielen Leuten diskutieren – mit Krankenhäusern, Krankenkassen, Ärztinnen und Ärzten, Gewerkschaften, Pflegekräften und vielen anderen mehr. Für uns ist wichtig, dass es eine sektorenfreie Versorgung gibt. Sicher ist nicht alles auf Landesebene zu machen, aber wir müssen auch Anstöße von der Landesebene auf die Bundesebene weitergeben. Es ist aber notwendig, dass es auch Dinge gibt, die im Land gemacht werden können. Thüringen hat es gezeigt: Sie haben einen wirklichen Krankenhausplan umgesetzt und damit sinnvolle und gute Strukturen im Lande geschaffen. Ich denke, auch da gibt es Möglichkeiten, in der heutigen Situation und unter den heutigen Rahmenbedingungen durchaus einiges zu tun: eine gestufte Versorgungsplanung mit einer Maximalversorgung, einer Grundversorgung, Spezialisierung, intersektorale Gesundheitszentren als Brücke zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung und den kommunalen Gesundheitszentren, die tatsächlich flächendeckend vorhanden sein müssen.

Ich denke, wichtig ist auch, dass die Situation der Patientinnen und Patienten, der Beschäftigten und auch der nicht ärztlichen Gesundheitsberufe viel stärker in die ganze Diskussion einbezogen werden sollte. Klar, Ambulantisierung spielt eine große Rolle, auch Digitalisierung mit hohen Datenschutzanforderungen. Das alles sind Themen, bei denen es notwendig ist, sie in einem Krankenhausplan oder einem Gesundheitsplan, den wir eigentlich von Ihnen erwarten, in einem wesentlich höheren Maße einzubringen.

Wir brauchen natürlich auch die ganzen angrenzenden Gebiete, die ich bereits erwähnt habe und die für eine Gesundheitsversorgung notwendig sind. Das wäre ein sinnvoller und umfassender Planungsprozess. Da wäre es natürlich auch notwendig, ein Zeichen gegen die Privatisierung des Gesundheitswesens zu setzen

Präsident Boris Rhein:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Christiane Böhm (DIE LINKE):

und einen Fonds zur Finanzierung der Rekommunalisierung von Kliniken aufzulegen. Da Sie aber lieber die Privatisierung eines Uniklinikums verteidigen, als ernsthafte Schritte für ein gutes Gesundheitswesen zu unternehmen, sind meine Hoffnungen in dieser Frage sehr begrenzt. – Ich bedanke mich.

(Beifall DIE LINKE)