Reden im Landtag

Christiane Böhm - Gleichstellung in hessischen Behörden: Kein Ruhmesblatt für Schwarzgrün

Christiane BöhmGesundheit

In seiner 83. Plenarsitzung am 29. September 2021 diskutierte der Hessische Landtag zum Sechsten Bericht zur Umsetzung des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes. Dazu die Rede unserer gleichstellungspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

 

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es erstaunlich, dass sich inzwischen sechs Abgeordnete der CDU im Plenarsaal befinden. Die ganze Zeit waren es nur drei Abgeordnete; aber wahrscheinlich, weil jetzt ich von der LINKEN rede, haben sie ihre Anwesenheit im Parlament zu dem sicher wichtigen Anliegen der Landesregierung, dem Hessischen Gleichberechtigungsgesetz, etwas erhöht. Aber es scheint kein großes Interesse auf Ihrer Seite zu bestehen. Ja, das wundert mich nicht; denn wir klagen schon die ganze Zeit darüber, dass dieses Thema in der Landesregierung völlig unterbewertet ist.

Wir haben das Hessische Gleichberechtigungsgesetz schon seit 25 Jahren. Auch wenn es kleine Fortschritte gab, ist noch lange nicht der Punkt da, wo man sich auf die Schulter klopfen kann; denn bis zur umfassenden Gleichstellung liegt noch ein weiter Weg vor uns. Die Fragen sind: Wie schnell geht der Weg; wie viel Kraft steckt dahinter; und wer beteiligt sich an diesem Weg?

Es stimmt, dass es heute mehr Frauen in Führungspositionen gibt, vor allem in den mittleren Rängen – was wir natürlich begrüßen. Wir wollen ein Hessen mit vielen Richterinnen und Staatsanwältinnen, Lehrerinnen und Professorinnen, Arbeiterinnen und Frauen in Führung; aber wir müssen auch feststellen, dass die Novellierung des Gesetzes im Jahr 2016 nicht den großen Sprung in der Gleichberechtigung innerhalb des öffentlichen Dienstes gebracht hat. Der Trend hat sich zwar ein bisschen verstärkt, aber insgesamt verlangsamt. Neue Lösungsansätze lässt diese Landesregierung allerdings vermissen.

Die Daten zeigen auch, dass die strukturelle Benachteiligung von Frauen durch stark verfestigte und differenzierte Geschlechterrollen deutlich wird. Kollegin Gersberg ist darauf eingegangen: 87 % der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Dieser Trend zeigt sich auch bei den Führungspositionen, wo die meisten Frauen in Teilzeit arbeiten. Es ist gut, dass sie diese Möglichkeiten haben; aber wollen wir den Spieß einmal umdrehen: Ich finde, Hessen braucht ein Teilzeitförderprogramm für Männer, damit Erwerbs- und Sorgearbeit endlich gerechter verteilt werden können.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Aber eigentlich brauchen wir zukünftig eine ordentliche Arbeitszeitverkürzung, sodass wirklich beide Geschlechter Familie, Arbeit und Pflege miteinander vereinbaren können. Mit dieser Arbeitszeit, gerade im öffentlichen Dienst in Hessen, ist das überhaupt nicht zu gewährleisten.

(Beifall DIE LINKE)

Deutlich zurück liegen die hessischen Gemeinden. Die Wirksamkeit dieses Gesetzes muss aber auch über die Büros der Landesregierung in Wiesbaden hinausgehen. Nur durch eine energische und echte Förderung der Gleichberechtigung auch in lokalen Gebietskörperschaften können weitere Fortschritte in diesem Bereich erzielt werden.

Ich möchte auf eines eingehen; ich weiß gar nicht, warum das keine meiner Vorrednerinnen gesagt hat: Die Datenqualität dieses Berichts lässt übel zu wünschen übrig. Weite Teile des Tabellenanhangs sind komplett unbrauchbar. Haben Sie das nicht gelesen? Ich gebe Ihnen nur ein Beispiel von vielen. In Tabelle 18 ist aufgeführt: Die Gemeinden melden für das Jahr 2019 in der Entgeltgruppe 15 Ü fünf Stellen, die von fünf Frauen und von fünf Männern besetzt werden, was einem Frauenanteil von 100 % entspräche. So finden Sie hier lauter Hämmer. Da frage ich mich natürlich: Mit welcher Sorgfalt wird denn so etwas überhaupt erstellt, und welche Schlussfolgerung kann man aus völlig abstrusen Daten ziehen? Da muss man sich doch einmal um die Schlussfolgerungen kümmern und schauen, ob die mit der Datenbasis überhaupt vereinbar sind. Ich denke, wenn man große Erfolge darstellen will, muss man wirklich fragen: Ist da überhaupt etwas dran?

Es gibt offensichtlich noch mehr Lücken, nicht nur die Datenlücken. Es gibt in Ihrem Bericht auch thematische Lücken. Sie sagen kein Wort zu Sexismus und zu Geschlechterdiskriminierung. Es wäre ein Zeichen, wenn auch die Gleichstellungsbeauftragten und die Personalräte ein Kapitel bekommen, um über solche Probleme, aber auch über die gesamten Probleme zu berichten.

Sie verweisen in Ihrer Schlussbetrachtung zwar auf die Beteiligung der Frauenbeauftragten an der Implementierung. Aber wo sehen Sie das denn im Bericht, wo finde ich denn Ihre Position, wo finde ich denn Ihre Einschätzung, wo finde ich denn die Bedeutung oder die Klarheit, was die Frauenbeauftragten und die Personalräte dazu sagen? Das ist auf jeden Fall ein großes Manko in diesem Bericht. Ich hoffe, dass künftige Berichte diesem Manko abhelfen.

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Frau Böhm, kommen Sie bitte zum Schluss.

Christiane Böhm (DIE LINKE):

Ja. – Es gibt noch mehr Sachen: Bewerbungen, GenderBudgeting; in diesem Bereich ist nichts geblieben. Aber es gibt auch noch immer das Problem, dass wir in den Führungsetagen viel zu wenige Frauen haben. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Herr Tarek Al-Wazir und seine beiden Staatssekretäre. Es gibt also keinen Grund, zu jubeln, aber viele Gründe für eine harte feministische Arbeit. – Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und Lisa Gnadl (SPD))