Reden im Landtag

Christiane Böhm - Beratung und Schwangerschaftsabbrüche für alle Frauen wohnortnah zugänglich machen

Christiane BöhmFamilien-, Kinder- und JugendpolitkFrauenGesundheit

In seiner 90. Plenarsitzung am 08. Dezember 2021 diskutierte der Hessische Landtag zum Schwangerschaftskonfliktgesetz. Dazu die Rede unserer frauen- und gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich möchte heute mit einem großen Dank an Frau Kristina Hänel beginnen. Frau Brünnel, da haben wir immerhin eine Gemeinsamkeit. Ich habe allerdings einen etwas anderen Zungenschlag und eine etwas andere Begründung, warum ich mich bei ihr bedanken will. Was sie zu dem Gesetzentwurf gesagt hat, dazu komme ich später. Ihr Kampf gegen diese frauen- und ärztefeindliche Gesetzgebung in diesem Land ist eigentlich der Ausgangspunkt, weswegen wir jetzt den § 219a Strafgesetzbuch tatsächlich abschaffen können. (Beifall DIE LINKE) Sie und ihre Mitstreiterinnen waren es, die das auf den Weg gebracht haben. Es ist gut, wenn das im Bundestag umgesetzt wird. Dafür unseren herzlichen Dank. Eines ist bis jetzt noch nicht gelungen. Auch die Ampel scheint da noch ein bisschen zögerlich zu sein. Ich hoffe, dass es noch Schwung dafür geben wird, dass die Streichung des selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch tatsächlich erfolgt. Dazu will die Ampel zumindest eine Kommission einsetzen. Sie will das prüfen. Ich finde, das ist ein bisschen zögerlich. Aber die Richtung stimmt zumindest. Solange § 218 Strafgesetzbuch besteht, bleibt die Beratungspflicht nach § 219 Strafgesetzbuch. So lange müssen wir uns hier mit der Ausgestaltung der Beratung beschäftigen, die eine Folge der Regelung des Strafgesetzbuches ist. Dabei gilt der Grundsatz, dass der Auftrag und die Leistung der Beratungsstellen viel umfassender als nur die Konfliktberatung sind. Die Anhörung war sehr interessant. Ich empfehle Ihnen, lesen Sie einmal im Protokoll nach, wie komplex, schwierig und aufwendig die Beratung inzwischen geworden ist. Sie ist vielschichtig. Vielleicht können Sie dann auch die Arbeit besser wertschätzen. Diese Wertschätzung wollen wir den Beratungsstellen auf jeden Fall zukommen lassen und bedanken uns ausdrücklich für deren tolles Engagement. Da Klatschen alleine nicht hilft, haben wir einen Änderungsantrag gestellt, von dem wir hoffen, dass Sie dem zustimmen werden. Damit kommen wir zu dem größten Problem des vorliegenden Gesetzentwurfs der Landesregierung. Eine Wertschätzung dieser so wichtigen Arbeit sieht wirklich anders aus. Die Landesgeschäftsführerin von pro familia, Frau Ott, hat uns klipp und klar vorgerechnet, dass die Landesregierung die Beratungsstellen zwingt, die Beratungsfachkräfte untertariflich zu bezahlen, weil pro Vollzeitstelle und Jahr mehr als 14.000 € entsprechend dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes nicht gezahlt werden. Da geht es um die Anteile der betrieblichen Altersvorsorge, die Kinderzuschläge und nur anteilig anerkannte Stellen. Wir haben das einmal berechnet und werden es in die Verhandlungen über den Haushalt einbringen. Das Land Hessen spart da so einmal nebenbei rund 4 Millionen €. Das ist wirklich unverschämt. Das geschieht auf Kosten der Mitarbeiterinnen. Denn es sind fast nur Frauen, die dort arbeiten. Sieht die Geschlechterpolitik der GRÜNEN so aus? Ist das Gleichstellung? Nein, das ist skandalös und frauenfeindlich. (Beifall DIE LINKE) Über den zweiten Sparstrumpf, den das Gesetz enthält, ist schon gesprochen worden, nämlich die Anrechnung von Ärztinnen und Ärzten auf die Beratungskapazitäten. Natürlich sollen Ärztinnen und Ärzte in Schwangerschaftskonfliktfällen beraten und Scheine ausstellen können und das auch honoriert bekommen. Das Problem ist die Anrechnung der Beratung auf die Beratungsstellen, und das ist völlig unsachgemäß. Sie leisten nur einen Teil des Spektrums, und, wie wir in einer Anfrage festgestellt haben, werden nicht einmal die 15 % an Beratungen durch Ärztinnen und Ärzte erfüllt. Selbst Frau Klaff-Isselmann, die noch bis zur letzten Wahl in den Reihen der CDU-Fraktion gesessen hat, hat auf meine Nachfrage hin klargestellt: Die Anrechnungsquote von Ärztinnen und Ärzten ist deutlich abzusenken, und zwar auf den Wert null. – Das wäre doch einmal eine sinnvolle Richtschnur. (Beifall DIE LINKE) Frau Ravensburg, Ihnen ist diese Zentralstelle Mutter und Kind so wichtig. Aber ich finde es wirklich dreist, es ist perfide: Sie schreiben im eigenen Gesetzentwurf in der Begründung, die Kosten dieser Stelle würden 120.000 € betragen. Sie sind aber nur bereit, 100.000 € dazuzugeben. Wenn Sie einmal zugehört haben, was uns Frau Schaller von der Diakonie erzählt hat: Sie hat ausdrücklich geschildert, dass das Gros dieser Arbeit sowieso schon ehrenamtlich stattfindet. Und dann wollen Sie noch 20.000 € einsparen – es tut mir leid, aber es sind wirklich kleine Beträge in diesem Landeshaushalt. Da fängt es an, völlig unverständlich zu werden. Wenn es Ihnen wichtig wäre, würden Sie es ordentlich finanzieren, und da sind diese 120.000 € auf keinen Fall zu viel, eher zu wenig. Das sind drei Beispiele, an denen sich zeigt: Dieses Gesetz ist weiterhin ein Spargesetz, und deshalb können wir es auch nur ablehnen, weil es die zentralen Probleme der Beratungsstellen nicht löst. Aber der Gesetzentwurf hat eine entscheidende Lücke. Frau Kristina Hänel hat es in der Anhörung noch einmal gesagt: Das Schwangerschaftskonfliktgesetz des Bundes regelt nicht nur die Konfliktberatung, sondern macht auch klare Vorgaben zur Versorgungssituation nach der erfolgten Beratung. Ich zitiere: Die Länder stellen ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicher. Jetzt haben wir hier ein Umsetzungsgesetz, also muss es umgesetzt werden; denn es funktioniert ja nicht. Sie haben doch mitgehört: In der Anhörung ist deutlich geworden, dass die Beraterinnen sehr viel Zeit darauf verwenden müssen, mit den Frauen eine Stelle zu finden, wo ein Abbruch überhaupt möglich ist. In vielen Regionen gibt es das gar nicht. In Osthessen haben wir keine Möglichkeit mehr, einen Abbruch zu machen – die Frauen müssen nach Kassel oder nach Gießen fahren. Das ist mit der Zeit oft ziemlich knapp, und man muss in der vorgeschriebenen Zeit einen Beratungsschein bekommen und noch einen Arzt oder eine Ärztin finden, um den Abbruch durchzuführen. Ich denke, es ist ganz deutlich, dass es notwendig ist, das hier zu regeln. Deswegen machen wir einen Vorschlag, wie es geregelt werden kann: Verpflichten Sie in jedem dieser sechs hessischen Versorgungsgebiete mindestens drei Kliniken dazu, ambulante und stationäre Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Das können Sie in Ihrem Landeskrankenhausplan machen; schreiben Sie es wirklich fest. Krankenhäuser können sich doch nicht als Maximalversorger bezeichnen und Schwangerschaftsabbrüche absolut ablehnen. Kristina Hänel hat es wirklich auf den Punkt gebracht: Ärztinnen und Ärzte haben das Recht, aus Gewissensgründen Schwangerschaftsabbrüche abzulehnen, Kliniken haben dieses Recht aber nicht. (Beifall DIE LINKE) Vizepräsidentin Heike Hofmann: Frau Böhm, bitte kommen Sie zum Schluss. Christiane Böhm (DIE LINKE): Mein Dank gilt zum Abschluss den vielen Menschen in der Beratung und Unterstützung von Familien und Frauen während der Schwangerschaft, egal wie sie sich entscheiden. Ihnen gilt es den Rücken zu stärken, und deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Die dritte Lesung wurde ja schon beantragt. – Ich bedanke mich. (Beifall DIE LINKE)