Reden im Landtag

Aktuelle Stunde der SPD: „Patientenwohl und Arbeitsbedingungen in der Akutpsychiatrie müssen im Vordergrund stehen – Hessens Sozialminister Klose muss seiner Verantwortung endlich gerecht werden und die Vorgänge im städtischen Klinikum Frankfurt/ H

Christiane Böhm
Christiane BöhmGesundheit

Aktuelle Stunde der SPD
„Patientenwohl und Arbeitsbedingungen in der Akutpsychiatrie müssen im Vordergrund stehen – Hessens Sozialminister Klose muss seiner Verantwortung endlich gerecht werden und die Vorgänge im städtischen Klinikum Frankfurt/ Höchst lückenlos aufklären“

Hessischer Landtag am 04.04.19

Die Schilderungen in dem Wallraff-Bericht sind verstörend. Weder die Fixierungen noch die improvisierten Arztvisiten wirken vertrauenserweckend. Wenn es Umgang dieser Art mit kranken Menschen gibt, ist dies würdelos und völlig inakzeptabel. Der Landesregierung muss hier schnell tätig werden. Sie muss klären, ob es in der Klinik besonders viele Unterbringungsmaßnahmen und Fixierungen gibt, wie die Personalsituation aussieht, was die Überlastungsanzeigen der Pflegekräfte aussagen und wie die Aufsichtspflicht gestaltet werden kann, damit solche Zustände nicht stattfinden. Da reicht es mir nicht, wenn die aktuelle angekündigte Begehung keine Vorwürfe erhärtet hat

Allerdings habe ich bereits mehrere Berichte aus anderen hessischen Kliniken gehört und auch selbst in Kontakt mit Angehörigen und Klient*innen erlebt, die nicht akzeptabel sind. Die meisten Berichte erhalte ich von Angehörigen aus der Forensik. Ich möchte eine Psychiatrie in Hessen, wo niemand Angst haben muss, in einer seelischen Krise Hilfe zu finden. 

Deshalb will ich daran erinnern, was DIE LINKE damals bei der Verabschiedung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes gesagt hat: Sie haben damals ein schlechtes Gesetz verabschiedet, das in vielen Punkten nicht mit der Verfassung und mit der UN-Behindertenrechtskonvention übereinstimmt. Wir haben mit vielen anderen Organisationen und Expert*innen gesagt: 

Psychisch Kranke brauchen Krisendienste, wie es Sie in Oberbayern, Schleswig-Holstein, Berlin und auch im Raum Darmstadt gibt. Sie gibt es aber nicht flächendeckend in Hessen. Wir haben damals gesagt, mit diesem Gesetz verhindern sie keine stationären Aufenthalte, keine Unterbringungen, keine Zwangsmaßnahmen – das Gesetz führt wie im Bericht gesehen zu überfüllten Akutstationen. Wir brauchen endlich aufsuchende Krisendienste, leicht erreichbare Krisen-Pensionen und mobile Behandlungs-Teams, bzw. „Integrierte Versorgung“ mit integrierter psychotherapeutischer Versorgung

Ich gehe weiter: Wir brauchen eine Reform der Psychiatrie in Hessen. Es erscheint uns, dass wir an den Veränderungsprozessen der 70/80er Jahre – ich erinnere an die Psychiatrie-Enquete 1975 – anknüpfen müssen und einen neuen Reformprozess benötigen. Genau das ist in Hessen erforderlich. Wir müssen uns mit den Positionen führender Psychiater auseinandersetzen. Wir brauchen eine Psychiatrie mit offenen Türen, die stationär und ambulant im Interesse der Betroffenen tätig wird. Wir brauchen mehr Psychotherapie: 12 Minuten pro Woche und Patient ist viel zu wenig, damit kann stationär nichts auf den Weg gebracht werden. Wir brauchen auch mehr ambulante Psychotherapie, es kann nicht sein, dass es man monatelang auf einen Therapieplatz warten muss, viele werden davon abgeschreckt. Das Terminservicegesetz hilft nichts, es schadet.Wir brauchen eine Psychiatrie, die ohne Zwang auskommt. Wir brauchen eine Psychiatrie, die gut mit Personal ausgestattet ist. Dies gilt besonders auf den Akutstationen, die meist zu groß sind und viel zu viele Patient*innen dort aufgenommen werden. Die Personalverordnung (PsychPV) entspricht nicht mehr den Anforderungen. Die gültigen Leitlinien müssen allerdings umgesetzt werden. Die neue S3-Leitlinie Schizophrenie sagt beispielsweise aus:

„Menschen mit einer Schizophrenie sollen befähigt und in die Lage versetzt werden, ihre Interessen selbst durchzusetzen, sich zu organisieren sowie ihre Lebensverhältnisse individuell bestimmen zu können (Selbstbefähigung/Empowerment). Und vieles mehr. Ich erwarte, dass die Leitlinien in den Psychiatrien in Hessen ernst genommen und umgesetzt werden.

Am 1. Januar 2020 soll die neue Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) in Kraft treten soll. Diese muss sich am Bedarf der Patientinnen und Patienten orientieren. In der Psychiatrie ist Beziehungsarbeit das A und O. Doch dafür braucht es Zeit, es braucht genug Personal. Deshalb fordern die Mitarbeitenden und auch ver.di eine Psych-PVplus, die den geänderten Anforderungen entspricht. Die neuen Personalstandards müssen wirksam durchgesetzt werden. Derzeit werde die Psych-PV vielfach nicht eingehalten, was nur ausnahmsweise Sanktionen nach sich ziehe. Das liege auch daran, dass viele Kliniken ihrer Nachweispflicht nicht nachkommen. Eine ausreichende Personalausstattung muss es in jedem Krankenhaus, in der Altenpflege und in den Psychiatrien geben, um bedarfsgerechte und sichere Versorgung und gute Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.

Ich fordere Sie auf in Ihren Parteien dafür zu sorgen, dass dies auch so realisiert wird.

Es gilt das gesprochene Wort.