Reden im Landtag

Christiane Böhm - Stärkung des ländlichen Raums ist dringend notwendig

Christiane BöhmSoziales

In seiner 132. Plenarsitzung am 23. März 2023 diskutierte der Hessische Landtag zum ländlichen Raum. Dazu die Rede von Christiane Böhm.

Alle gleich schlecht zu behandeln ist auch keine gute Idee.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

Auch ich habe mich damit nicht leichtgetan, als ich von der Stadt in die Gemeinde Trebur gezogen bin. Es gibt einiges, was ich vermisse. Das sind die kurzen Wege, dass man kann alles mit dem Fahrrad erreichen kann. Es geht um die Bildungs- und Kulturangebote.

Aber es gibt vieles, was die ländlichen Räume lebenswert macht. Das sind die Nähe zur Natur, genügender Platz für die Familie und die Hobbys, regionale Traditionen, der enge Kontakt mit den Nachbarn und der soziale Zusammenhalt. Das wurde während der Corona-Pandemie von vielen Leuten mehr wertgeschätzt. Ohne das Land und seine natürlichen Ressourcen könnten die hessischen Städte überhaupt nicht überleben.

(Beifall DIE LINKE)

Trotzdem wird der ländliche Raum von der Politik deutlich vernachlässigt. Die Strukturpolitik, die Regionalentwicklung und die finanzielle Förderung konzentrieren sich auf einige wenige Großstädte. Das ländliche Hessen steht hintan. Es wird von der Landesregierung mit unübersichtlichen und kurzfristig ausgerichteten Aktionsplänen und viel zu knappen Förderprogrammen abgespeist. Man kann es auch so sagen: Die Projektitis ist wieder eingezogen.

Die Folge dieser Politik ist, dass die Kluft zwischen Stadt und Land weiter wächst. Wir, die Mitglieder der LINKEN, kämpfen für gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land. Wir stehen für eine konsequente Strukturpolitik zugunsten der ländlichen Räume.

Dazu braucht es zusätzliche Finanzmittel und eine dauerhafte, verlässliche Unterstützung für die vielen eigenen Initiativen vor Ort. Das Gemeinwohl muss im Zentrum stehen.

(Beifall DIE LINKE)

Was erwarten wir von einer neuen Landesregierung? Landes- und Regionalentwicklung muss so ausgerichtet werden, dass sie zu einer gleichmäßigen, gerechten Verteilung von Unternehmen, Arbeitsplätzen und Infrastrukturen in Hessen führt. Statt immer nur auf die Rhein-Main-Region zu schauen, wollen wir Finanzhilfen und Förderprogramme verstärkt auf strukturschwache, ländliche Regionen ausrichten.

Alle Kommunen brauchen endlich ausreichende Finanzmittel, um öffentliche Leistungen erbringen und Investitionen tätigen zu können. Gerade Kommunen in ländlichen Räumen müssen Infrastrukturen auf großer Fläche oder für wenige Menschen bereitstellen.

Wir erwarten, dass die Straßenausbaubeiträge abgeschafft werden. Über einen Landesfonds werden den Kommunen ihre Einnahmeausfälle erstattet.

(Beifall DIE LINKE)

Auf dem Land muss man ohne Auto mobil sein können. Dafür brauchen wir einen zuverlässigen, barrierefreien öffentlichen Nahverkehr mit dichten Taktraten und mittelfristig den Nulltarif.

Bei den Radwegen ist in Hessen noch viel Luft nach oben. Wie hat der ADFC vor ein paar Tagen gesagt:

In keinem anderen Bundesland ist das Radwegenetz an Landesstraßen in den vergangenen neun Jahren

– neun Jahre – so langsam gewachsen wie in Hessen.

(Zuruf)

Gesundheit muss für alle erreichbar sein. Wir brauchen eine ordentliche Krankenhausplanung – die haben wir mitnichten –, flächendeckende Gesundheitszentren in öffentlicher oder genossenschaftlicher Hand, eine 1:1-Betreuung durch Hebammen und gute ambulante Dienste.

Wir brauchen ein gutes, bezahlbares, barrierefreies und klimagerechtes Wohnen. Das ist eine öffentliche Aufgabe, weshalb Grund und Boden in öffentlicher oder gemeinwohlorientierter Hand bleiben sollen.

Für eine gute Bildung braucht es eine gute und wohnortnahe Versorgung mit Grundschulen und eine gute Erreichbarkeit weiterführender Schulen.

Durch Anreize und strengere Regelungen werden die ökologischen Leistungen ländlicher Räume stärker geschützt. Es muss verhindert werden, dass ländliche Regionen weiterhin zur Entsorgung missbraucht werden, wie z. B. für schwach radioaktive Abfälle auf der Hausmülldeponie in Büttelborn.

(Beifall DIE LINKE)

Die Flächenversiegelung soll durch ein nachhaltiges Flächenmanagement bis 2030 auf null reduziert werden. Gute Ackerböden dürfen nicht mehr versiegelt werden. Ein öffentlicher Bodenfonds soll sicherstellen, dass diese Flächen zu niedrigem Pachtzins an ortsansässige Agrarbetriebe vergeben und umweltschonend bewirtschaftet werden. Die ländlichen Räume sind auch wichtig für die Energieerzeugung. Dies funktioniert aber nur unter Beteiligung der Bevölkerung.

Wir brauchen Breitband, Mobilfunk, öffentliche kostenlose WLAN-Netze und Freifunk-Angebote, natürlich auch die Geschäfte des täglichen Bedarfs wie auch ein kreatives und lebendiges Landleben mit allen Einrichtungen, die notwendig sind, wie Schwimmbad, Sportplatz, Kultur usw.

Wir wollen auch, dass die Bevölkerung auf dem Land möglichst viele Entscheidungen selbst trifft. Der Kampf gegen rechte Hetze sowie Rassismus und andere Formen der Diskriminierung ist auch in ländlichen Regionen notwendiger denn je.

(Zuruf AfD: Und gegen die Antifa!)

Am Schluss noch eine Bemerkung: Ich musste jetzt im Parforceritt durch die wichtigsten Punkte der ländlichen Entwicklung gehen. Fünf Minuten sind für dieses Thema zu wenig, liebe SPD. Wenn Sie sagen, das betrifft die Hälfte der Bevölkerung,

(Zurufe)

ist es eine schlechte Idee, die Hälfte der Bevölkerung in fünf Minuten abzukanzeln, und ich finde, das wird der Frage nicht gerecht.

(Beifall DIE LINKE – Unruhe)

Wenn Sie es nachlesen wollen: Wir haben eine schöne Broschüre zu diesem Thema herausgebracht, da können Sie alles Weitere erfahren.

(Beifall DIE LINKE)