Reden im Landtag

Christiane Böhm - Hessische Landesregierung muss Durchsetzung von Gleichberechtigung fördern

AbgeordneteChristiane BöhmThemenBildungBundespolitikFrauenSoziales

In seiner 121. Plenarsitzung am 06. Dezember 2022 diskutierte der Hessische Landtag zur Ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes. Dazu die Rede unserer Sprecherin für Armut, soziale Teilhabe und psychische Gesundheit Christiane Böhm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Frauenbeauftragte!

Schön, dass Sie heute da sind. Und ja, Herr Minister, Sie haben das vorhin ausgeführt. Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes sagt:

Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

Aber ich möchte das fortführen. Der Artikel geht noch weiter:

Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

Genau das ist der Auftrag, den die Hessische Landesregierung hat. Das sollte sie aber auch tun. Was macht sie daraus? Sie legt – ausnahmsweise einmal frühzeitig – einen Gesetzentwurf vor, spricht von „prägnanten Fortschritten“, von „strukturellen Barrieren, die abgebaut werden müssen“, gerade bei der beruflichen Entwicklung von Beschäftigten mit Familienaufgaben.

Was soll jetzt geändert werden? Ein paar Fundstellen werden umbenannt, Kosten durch Fortbildungsmaßnahmen für Kinderbetreuung oder Pflege können ersetzt werden, auch dann, wenn man unvorhergesehen bei Polizei oder Katastrophenschutz zum Dienst gerufen wird – wobei ich mir das schwierig vorstelle. Wenn man eine Woche im Ahrtal ist, gibt es noch nicht so viele professionelle Einrichtungen, wo man die Kinder vorbeibringen kann. Außerdem wird festgestellt, dass Stellenausschreibungen geschlechtsneutral erfolgen müssen. Das allerdings gibt bereits der § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vor.

Mehr ist in dieser Gesetzesänderung nicht vorgesehen. Sie schaffen es nicht einmal, von der Geschlechterbinarität wegzukommen. Da frage ich Sie: Haben Sie Ihre eigene Evaluation im letzten Jahr nicht zur Kenntnis genommen? Da wird erwähnt, dass der Frauenanteil im öffentlichen Dienst deutlich wächst. Allerdings widerspricht der Anteil an Führungspositionen der vorgeblichen Wertschätzung gegenüber den weiblichen Beschäftigten. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist weiterhin weitgehend Frauensache.

Was sagte Herr Klose im letzten Jahr?

Die Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst in Hessen ist noch nicht flächendeckend erreicht. Weiterhin bestehende strukturelle Barrieren müssen abgebaut und die gesetzlichen Regelungen konsequent angewandt werden – im Interesse der Frauen, aber auch im Interesse des öffentlichen Dienstes als einem attraktiven Arbeitgeber; … Er sagte noch:

Auf diesen Erfolgen werden wir uns aber keinesfalls ausruhen.

Über die Erfolge Ihres immer zahnloser werdenden Tigers HGlG lässt sich trefflich streiten. Aber dass die Landesregierung sich ausruht, ist allgemein bekannt.

(Beifall DIE LINKE)

Hätten Sie doch einmal den Frauenbeauftragten zugehört. Aber nein, Sie haben nicht einmal die Landesarbeitsgemeinschaft der Frauenbeauftragten bei dieser Regierungsanhörung berücksichtigt. Ich kann Ihnen gern erklären, warum das so wichtig ist. Die Stellungnahmen der Frauenbeauftragten, die über ihre Verwaltungsleitungen an die Spitzenverbände gehen, werden oft zensiert. Am Schluss steht das drin, was die eigene Verwaltung nicht in ein schlechtes Licht rückt. Was haben Sie denn von diesen geschönten Berichten? Nichts.

Deshalb bin ich der Landesarbeitsgemeinschaft Hessischer Frauen- und Gleichstellungsbüros außerordentlich dankbar, dass sie konsequent und entschieden das Sprachrohr tatsächlicher Gleichstellung in hessischen Dienststellen ist.

(Beifall DIE LINKE)

Die Realität sieht doch so aus, dass Frauenbeauftragte teilweise ohne Freistellung, sozusagen im Ehrenamt, tätig werden, dass sie gerade in kleinen Kommunen kein Budget zur Verfügung haben, dass es in vielen Dienststellen keine Frauenförder- und Gleichstellungspläne gibt. Wenn es diese nicht gibt, können auch keine Sanktionen erfolgen. Das Klagerecht ist dann zahnlos, genauso zahnlos wie die zentrale Stelle im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, die nicht weiterhilft. Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte werden nicht wiederbestellt, wenn sie unbequem sind. Damit wird ihnen sozusagen ein Maulkorb verpasst. Das ist die Realität. Wenn es keine Behördenleitungen gibt, die über die notwendige Überzeugung für eine wirkliche Gleichstellung verfügen, dann gibt es auch eine ganz schwierige Situation für die Frauenbeauftragten. Wenn wir auf den Goodwill in der Gleichberechtigung der Geschlechter angewiesen sind, dann brauchen wir auch kein Gesetz, das gleiche Rechte garantieren soll.

Aber vielleicht interessiert Sie auch dieses – in Ihren Ohren oft – „Gleichberechtigungsgedöns“ nicht. Den Eindruck habe ich öfter in diesen Debatten. Wenn Sie aber die ganzen Aufgaben, die Sie, das Land und der Bund, ständig an die Kommunen delegieren, tatsächlich erledigt haben wollen, dann ist eine verstärkte Beteiligung von Frauen in den Ämtern, Behörden, Hochschulen und anderen Einrichtungen ein unbedingtes Erfordernis.

(Beifall DIE LINKE, Nadine Gersberg und Lisa Gnadl (SPD))

Das geht nur, wenn die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiterinnen akzeptabel und mit Familienarbeit vereinbar sind. Es gibt kaum noch Familien, die heute von einem Einkommen leben können. Es gibt auch wenige Frauen, die kein Interesse an beruflicher Tätigkeit und der damit verbundenen Anerkennung in der Gesellschaft haben. Bieten Sie die Voraussetzungen für gute Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst. Dann gibt es auch Menschen, die Ihre Gesetze umsetzen und für den sozialen Frieden in diesem Land sorgen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Frauenbeauftragten haben Ihnen ein Weihnachtsgeschenk gemacht. Sie haben – mit juristischer Expertise – einen eigenen Gesetzentwurf erstellt, der zwar sehr umfangreich, aber aufgrund einer fast 30-jährigen Erfahrung fundiert ist. Ich frage die Landesregierung und die die Regierung tragenden Fraktionen: Weshalb arbeiten Sie nicht mit diesem Gesetzentwurf? Weshalb schieben Sie diese hervorragende Arbeit einfach auf die Seite? Weshalb interessiert Sie nicht, was die Frauenbeauftragten für Vorschläge haben? – Ihr Verhalten ist ein Zeichen von Arroganz und Ignoranz. Es ist Unvermögen, welches Sie damit zu kaschieren versuchen, dass Ihr Gesetzentwurf um diese Uhrzeit in einer Plenarsitzung versteckt wird, die sich mit Haushaltsthemen beschäftigt. Ich verstehe ja, dass dieser Gesetzentwurf gerade den grünen Frauen superpeinlich ist. Aber, liebe Frauen, dann bewegt euch doch endlich einmal, sodass diese Landesregierung die Gleichstellung der Geschlechter und damit den Auftrag aus dem Grundgesetz wirklich ernst nimmt.

(Beifall DIE LINKE)

Wir geben Ihnen die Chance dazu und bringen in das nächste Plenum einen Gesetzentwurf mit Änderungen zum Hessischen Gleichberechtigungsgesetz ein. Wir erwarten, dass die Anhörung im Ausschuss gemeinsam mit dem aufgerufenen Gesetzentwurf durchgeführt wird. Das geschieht im Interesse der Gleichstellung der Geschlechter und eines starken öffentlichen Dienstes mit guten Arbeitsbedingungen und starken Beschäftigten. Wenn Sie daran ein Interesse haben, folgen Sie unseren Vorschlägen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)