Reden im Landtag

Christiane Böhm: Gleichstellung jetzt - Frauenbeauftragte brauchen deutlich mehr Rechte

Christiane BöhmFrauen

In seiner 128. Plenarsitzung am 15. Februar 2023 diskutierte der Hessische Landtag über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und zum Abbau von Diskriminierungen von Frauen in der öffentlichen Verwaltung. Dazu die Rede von Christiane Böhm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

Heute legen wir Ihnen den Gesetzentwurf der Landesarbeitsgemeinschaft der Frauen- und Gleichstellungsbüros vor. Diesen Entwurf haben die Expertinnen zur Frauengleichstellung allen Fraktionen angeboten. Aber nur die SPD und wir haben etwas daraus gemacht und bringen das heute mit einer Begründung ein.

Nein, der Gesetzentwurf ist nicht unsere Leistung, sondern das Ergebnis 30-jähriger Erfahrung kommunaler Frauenbeauftragter, die sich der Mühe unterzogen haben, einen eigenen Gesetzentwurf zu formulieren. Sie haben sich dazu juristischer Hilfe bedient, damit Sie nicht sagen können, dass das nicht hieb- und stichfest ist. Herzlichen Dank an die Landesarbeitsgemeinschaft der Frauen- und Gleichstellungsbüros, die ich hier heute auch begrüßen darf und die in ihrer Freizeit heute Abend an dieser Plenarsitzung teilnehmen. Vielen Dank für euer unermüdliches Engagement für die Gleichstellung von Frauen im öffentlichen Dienst. Herzlichen Dank für diesen fundierten und sorgfältig ausgearbeiteten Gesetzentwurf. Herzlichen Dank, dass Sie konsequent und entschieden das Sprachrohr tatsächlicher Gleichstellung in hessischen Dienststellen sind.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Gerne hätten wir den Entwurf gemeinsam mit der SPD in den Hessischen Landtag eingebracht. Wir haben gemeinsam beraten und die Begründung erstellt. In letzter Sekunde kam aber von dort ein Rückzieher, und somit liegen Ihnen heute zwei fast gleichlautende Gesetzentwürfe vor.

Ich möchte auf zwei zentrale Elemente des Gesetzentwurfs eingehen. Um die Gleichstellung von Frauen im öffentlichen Dienst voranzubringen, ist eine Stärkung der Position der Frauenbeauftragten unabdingbar. Es darf nicht sein, dass Frauenbeauftragte teilweise ohne Freistellung, quasi im Ehrenamt, tätig werden, dass sie gerade in den kleinen Kommunen kein Budget zur Verfügung haben, dass es in vielen Dienststellen keine Frauenförder- und Gleichstellungspläne gibt.

Unser Gesetzentwurf verlangt, dass bereits ab 25 Beschäftigten eine Frauenbeauftragte bestellt wird. Die muss von ihren sonstigen Aufgaben entlastet werden; bei 100 Beschäftigten muss das im Umfang einer Halbtagsbeschäftigung erfolgen. Für die Landesregierung soll das erst ab 300 Beschäftigten erfolgen. Das ist viel zu wenig, wenn man sich die Fülle der Aufgaben der Frauenbeauftragten ansieht. Hier muss die Landesregierung deutlich nachbessern.

(Beifall DIE LINKE)

Die Frauenbeauftragten müssen aber auch sicher sein, dass sie ihre wichtige Aufgabe tatsächlich weisungsfrei und unabhängig durchführen können. Sie dürfen in ihrer Tätigkeit nicht behindert und in ihrer beruflichen Entwicklung nicht benachteiligt werden. Sie dürfen keine Angst haben, nicht wiederbestellt zu werden, wenn sie der Behördenleitung zu unangenehm geworden sind, weil sie die Interessen der Gleichstellung von Frauen – mit Sternchen natürlich; dazu gehören nämlich auch nicht-binäre Personen – vertreten.

Das steht aber nur in dem Gesetzentwurf der Frauenbeauftragten, nicht in dem bisherigen Gesetz und auch nicht in dem Gesetzentwurf der Landesregierung, der aktuell beraten wird. Deshalb fordere ich Sie auf: Unterstützen Sie den Gesetzentwurf der Frauenbeauftragten.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will ein zweites Thema aufgreifen, bei dem das geltende Gesetz viel zu kurz greift. Es ist dringend erforderlich, dass klargestellt wird, was sexuelle Belästigung ist. Es handelt sich dabei um jede Form von unerwünschtem Verhalten sexueller Natur gegenüber einer oder einem Beschäftigten, das verbal, nonverbal oder physisch bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird.

Leider ist das Übereinkommen Nr. 190 über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt der Internationalen Arbeitsorganisation immer noch nicht ratifiziert in Deutschland. Umso wichtiger ist es, dass es eine klare Aufgabenbeschreibung gibt, die die Frauenbeauftragten in die Lage versetzt, Frauen und Männern bei sexualisierter Gewalt und Belästigung zur Seite zu stehen und sich dafür einzusetzen, dass so etwas in den Betrieben abgestellt wird. Leider ist es am Arbeitsplatz nicht so selten. Jede elfte Person hat bereits Sexismus oder sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz erlebt.

Schließlich möchte ich auf die Bedeutung des Gesetzes und insbesondere der Frauenbeauftragten für den öffentlichen Dienst eingehen. Fast täglich gibt es Meldungen in den Medien, vor zwei Tagen z. B. im „Wiesbadener Kurier“, dass der öffentliche Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sucht und große Probleme hat, die Stellen zu besetzen. Die Landesbehörden haben diese Probleme nicht so sehr; denn sie zahlen höhere Gehälter und werben den Kommunen meistens die qualifiziertesten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab. Die Kommunen haben aber den Löwenanteil der Gesetze auszuführen, denen fehlen überall Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – ob es die Zulassungsbehörde ist, das Veterinärwesen, das Jugendamt oder das Gesundheitsamt.

Plakatkampagnen helfen wenig, um für den öffentlichen Dienst zu werben. Die beste Werbung sind gute Arbeitsbedingungen. Dafür setzen sich gerade die Frauenbeauftragten ein. Zu den guten Arbeitsbedingungen gehört die Vereinbarkeit von beruflicher Tätigkeit und Sorgearbeit. Das ist sicher für alle wichtig, aber für die weibliche Belegschaft im öffentlichen Dienst ist es ganz besonders wichtig.

Die Aufgabe der Frauenbeauftragten ist, dafür zu sorgen, dass Frauen bereits bei der Ausschreibung und beim Vorstellungsgespräch gute Bedingungen vorfinden und sich sicher sein können, dass ihre persönlichen Belange während der Beschäftigung berücksichtigt werden. Dazu gehört aber auch die Gleichstellung von weiblichen Beschäftigten und Beamten in den höheren Vergütungsgruppen. Mir ist gerade aufgefallen, dass es besonders wenige Beamtinnen im höheren Dienst gibt. Es gibt veraltete Auswahlverfahren, männliche Karrieresprünge während der Familienzeit und Männerbünde. Das sind nur einige Hürden, die Frauenbeauftragte mit den Beschäftigten gemeinsam überwinden müssen.

Wenn wir so weitermachen, werden wir sicherlich mehr als 20 Jahre brauchen, um eine Gleichstellung zu erreichen. Ich denke, es ist notwendig, dass es schneller geht und dass Frauen wirklich auch von den Frauenbeauftragten ermutigt und unterstützt werden, Führungsaufgaben zu übernehmen.

Stärken Sie deshalb die Position der Frauenbeauftragten. Sie sind neben der Personalvertretung die Stimmen, die für die Zukunft des öffentlichen Dienstes in den Kommunen, den Hochschulen, den öffentlich-rechtlichen Unternehmen und auch im Land sorgen. Mit ihnen und ihrer Expertise ist es möglich, gerade in diesen schwierigen Zeiten das Öffentliche zu stärken, dafür zu sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger zu ihrem Recht kommen und ihre Angelegenheiten kompetent und prompt erledigt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Das schafft Vertrauen und bringt verlorenes Vertrauen in eine gemeinschaftliche Ordnung zurück. Um das Öffentliche zu stärken, ist allerdings auch eine Tarifrunde erforderlich, die die Gehaltssteigerung auf ein Niveau oberhalb der Inflationsrate hebt. Deshalb ist die Forderung von ver.di von 10,5 % in der aktuellen Tarifauseinandersetzung mehr als berechtigt.

Ich kann Sie nur auffordern, sich alle dafür einzusetzen, dass ein guter Abschluss möglich ist, um das Öffentliche zu stärken und gerade den Menschen, die auf ein Gemeinwesen angewiesen sind, zu ihrem Recht zu verhelfen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)