Reden im Landtag

Christiane Böhm - Alarmstufe Rot: Jede zweite Klinik von Insolvenz bedroht

Christiane BöhmGesundheit

In seiner 117. Plenarsitzung am 13. Oktober 2022 diskutierte der Hessische Landtag unsere Aktuelle Stunde zur dramatischen Situation in Hessens Krankenhäusern. Dazu die Rede unserer gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!

Fritzlar, Melsungen, Dillenburg: Das sind nur drei Orte, die in den letzten Tagen für Schlagzeilen sorgten, weil an diesen Orten Krankenhäuser oder Geburtsstationen in Gefahr sind, dichtgemacht zu werden.

75 % der Krankenhäuser werden im nächsten Jahr Defizite einfahren. In Hessen sind dies 100 von 130 Krankenhäusern. 40 % dieser Krankenhäuser werden in eine kritische Liquiditätssituation kommen. Das bedeutet, sie sind nicht mehr zahlungsfähig, müssen Insolvenz anmelden und eventuell schließen. Dieses Risiko besteht auch für viele Reha- und Kurkliniken.

Das ist Alarmstufe Rot für die Gesundheitsversorgung in Hessen. Dabei haben doch laut Krankenhausgesetz Land und Kommunen für die bedarfsgerechte Versorgung durch leistungsfähige Krankenhäuser zu sorgen.

(Zuruf DIE LINKE: So ist es!)

Die Kommunen tragen ihre Last und Verantwortung. Sie finanzieren nämlich die Krankenhäuser, teilweise mit jeweils zweistelligen Millionenbeträgen im Jahr, obwohl sie sich diese Zuwendungen meistens überhaupt nicht leisten können. Der Totalausfall ist diese Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE)

Wir erwarten von Ihnen, dass Sie jetzt endlich einmal aufwachen und sich für die hessischen Krankenhäuser, die Gesundheitsversorgung und für die Beschäftigten engagieren.

Jetzt sagen Sie doch einmal ehrlich: Was ist das für ein Gesundheitssystem, wenn der Direktor eines Klinikums sich per Petition an den Hessischen Landtag wenden muss, ein Klinikum mit jahrhundertelanger Tradition, der Grundund Regelversorgung, Geburtsklinik und mit einem wesentlichen Beitrag gerade im ländlichen Bereich für die ambulante Versorgung? Dieses muss trotz hoher Sparsamkeit die Alarmstufe Rot ausrufen, weil die Existenz gefährdet ist. Das ist doch ein Armutszeugnis des Gesundheitswesens in Deutschland und ein Armutszeugnis dieses Bundeslandes und seines Gesundheitsministers.

(Beifall DIE LINKE)

Wie ist es denn so weit gekommen? Die aktuelle Explosion der Energiepreise ist nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Teilweise haben sich die Gaspreise für die Kliniken versechsfacht und die Strompreise um das 2,5- bis Vierfache erhöht. Die Krankenhausgesellschaft rechnet bundesweit für das Jahr 2022 mit 5,5 bis 7 Milliarden € Defizit, und für das Jahr 2023 nochmals mit 10 Milliarden € Defizit. Die Landeskrankenhausgesellschaft fordert einen Inflationsausgleich in Form eines Rechnungsaufschlags von 4 % und perspektivisch einen Ausgleich der tatsächlichen Mehrkosten. Ich erwarte von dem Sozialminister, dass er sich für diese Forderung auf Bundesebene einsetzt.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Fass ist aber schon lange im Überlaufen begriffen: Seit April gibt es keine Ausgleiche für frei gehaltene Betten wegen Corona-Erkrankungen. Planbare Operationen müssen verschoben werden. Darunter leiden nicht nur die Patientinnen und Patienten, sondern das führt zu Konsequenzen für die Finanzen der Kliniken. Die Personalnot führt dazu, dass fast 90 % der Kliniken davon ausgehen müssen, Stationen zeitweise schließen zu müssen.

Gestern hat Minister Boddenberg die Landesregierung bezüglich der Investitionen für Kliniken – also sich selbst – gelobt. Hessen zahlt aber seit Jahren zu wenig an die Kliniken, sodass diese weder in die Bausubstanz noch in die Digitalisierung oder die energetische Ertüchtigung investieren konnten. Oft sind die Kliniken nicht einmal in der Lage, komplementäre Mittel aufzubringen, und können die investiven Zuschüsse gar nicht zeitnah nutzen.

Die Anpassungen im jetzigen Haushaltsentwurf gibt es nur zulasten der Kommunen. Sie müssen eine Krankenhausumlage zahlen, die um sage und schreibe 20 % erhöht wird. Trotzdem löst das nicht einmal annähernd die Probleme der Kliniken. Dafür sind mehr originäre Landesmittel unbedingt erforderlich.

(Beifall DIE LINKE)

Wir brauchen dringend ein Sonderförderprogramm für energetische und nachhaltige Maßnahmen. Das wäre das Mindeste angesichts der Klimakrise und der galoppierenden Energiekrise. Das ist von einer schwarz-grünen Landesregierung auch zu erwarten. Klima- und Energiegesetzchen hin und her: Sorgen Sie doch endlich dafür, dass in den Krankenhäusern keine Energie mehr verschwendet werden muss und denen nicht die Kosten davonlaufen.

Vizepräsidentin Heike Hofmann:

Frau Böhm, bitte kommen Sie zum Schluss.

Christiane Böhm (DIE LINKE):

Neben den fehlenden Investitionszuschüssen aber ist das Fallpauschalensystem das Problem der Fehl- und Unterfinanzierung insbesondere ländlicher Kliniken. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie sich dafür einsetzt, die Fallpauschalen endlich abzuschaffen und zum Selbstkostenprinzip zurückzukehren. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)