Reden im Landtag

Aktuelle Stunde der SPD-Fraktion (Drs. 20/98): Sicherheit für heute und morgen durch Einführung einer Grundrente von 900 Euro. Auch hessische Rentnerinnen und Rentner brauchen eine stabile Rente.

Christiane Böhm
Christiane BöhmFamilien-, Kinder- und Jugendpolitk

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

die Rente ist eine wichtige soziale Frage, die Menschen umtreibt. Sie wollen wissen, ob sie später eine Rente erhalten, von der sie leben können.

Die Grundrente ist im Grunde ein lobenswerter Ansatz: sie bietet deutliche Verbesserungen für eine große Personenzahl, ist steuerfinanziert, es gibt keine Bedürftigkeitsprüfung, sie stärkt die gesetzliche Rente. Es bleibt vielen Seniorinnen und Senioren erspart, arbeiten gehen zu müssen, obwohl sie nicht wollen und oft genug nicht mehr können. Oder sogar Flaschen sammeln zu müssen. Es gäbe viel mehr Grundsicherungsempfänger*innen, wenn sie sich davor schämen würden zum Sozialamt zu gehen oder Angst vor negativen Konsequenzen, wie wir es gerade bei der Generation, die in den 50er bis 70er Jahren nach Deutschland kamen, erleben. Die Parität geht von bis zu 75 % der Bedürftigen aus, die keine Grundsicherungsleistungen beantragen.

Dass es keine Bedürftigkeitsprüfung gibt, finde ich im Gegensatz zu einigen meiner Vorredner*innen durchaus richtig. Man sollte eher eine Reichtumsprüfung in diesem Land einführen, um genügend Einnahmen zu generieren.

Sie ist damit ein deutlich besserer Vorstoß als etwa die „Deutschland-Rente“[1], die sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mit aller Macht in die privatisierte Vorsorge treiben will, obwohl das nicht den hohen Ambitionen entsprechenden Interesse  der Bürger*innen an Riester und anderen steuerlich geförderten Versicherungen deutlich sagt: Wir wollen keine Privatisierung der Rente und erst recht keine Rente nach dem aktuellen Stand der Börse!

Der Vorschlag der Grundrente berücksichtigt endlich, dass Menschen mit niedrigen Einkommen keine Möglichkeit haben privat vorzusorgen. Wenn man gefährdet ist, im Alter Flaschen sammeln oder Grundsicherung beantragen zu müssen, für den sind Riester oder hochtrabend Deutschland-Rente genannt, keine Möglichkeiten dies zu verhindern.

Es ist also ein Schritt in die richtige Richtung. Aber 900 Euro bleiben zu gering, gerade in Ballungszentren wie dem Rhein-Main-Gebiet, wo aufgrund der Mietentwicklung dieser Betrag nicht annähernd vor Altersarmut zu schützen vermag, gerade für alleinstehende Rentnerinnen. Da hilft Ihnen auch das Wohngeld nicht viel, das greift nur, damit Menschen keinen Grundsicherungsanspruch haben.

Unklar bleibt noch vieles, u.a.:

* Warum wird jemand, der 34 Jahre und 11 Monate in die Rentenkasse eingezahlt hat, wesentlich schlechter gestellt als jemand, der einen Monat länger Beitragszahler*in war und damit zukünftig von der Grundrente profitieren darf?

* Wie werden die Menschen unterstützt, die lange Phasen der Erwerbslosigkeit gerade in den 1990er Jahren erleben mussten und sich heute nicht selten von Mini-Job zu Mindestlohn-Job hangeln und vielleicht nur auf 30 Beitragsjahre kommen?

* Wie werden prekär beschäftigte Akademiker*innen, die nach langen Ausbildungsphasen oft in Teilzeit gezwungen werden, bessergestellt?

Zu diesen und anderen Fragen liefert das Konzept keine Antworten. Die Reaktionen aus der CDU zeigen aber, dass es recht unwahrscheinlich ist, dass sich SPD gegen CDU und CSU durchsetzen kann oder ob, wie so oft, den großen Ankündigungen nur große Enttäuschungen folgen (bspw. 12 Euro Mindestlohn, Abschaffung § 219a, Transparenz bei Entgeltgleichheit zw. den Geschlechtern). Oder aktuell die Ankündigungen der SPD, Hartz IV überwinden zu wollen. Wir haben gestern gehört, dass nur etwas an den Sanktionen geschraubt werden soll, was nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wahrscheinlich sowieso gemacht werden muss.

Aus Sicht der LINKEN braucht ein wirklicher Schutz vor Armut im Alter deutlich mehr als nur eine am Ende dennoch zu niedrige Grundrente. Dazu gehören unter anderem wesentliche Korrekturen, die die SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Rentenkürzungen und Agenda 2010 angerichtet haben:

  • 12 Euro Mindestlohn sofort und ohne Ausnahmen, Stärkung von Tarifbindung, Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren, …
  • Wiederherstellung des gesetzlichen Rentenniveaus auf 53% beim regulären Renteneintritt ab 65 Jahren
  • Zeiten der (Langzeit-)Arbeitslosigkeit müssen wieder in der Rente berücksichtigt werden, alle Kindererziehungszeiten sind mit drei Rentenpunkten zu bewerten
  • ein solidarisches Mindestrentenniveau von 1.050 Euro bei gleichzeitiger Stärkung des Wohngeldes
  • Erweiterung der Beitragszahlenden um Selbstständige, Freiberufler*innen, Spitzenverdiener*innen, Beamt*innen und Politiker*innen (Erwerbstätigenversicherung)

Ein Blick in unser Nachbarland Österreich demonstriert, dass eine gesetzliche umlagefinanzierte Rente sehr wohl existenzsichernd sein kann. Dort gibt es bereits die Erwerbstätigenversicherung, dort werden der privaten Versicherungswirtschaft nicht Milliarden Euro Steuergelder geschenkt, sondern die Mittel zur Stabilisierung der gesetzlichen Rente eingesetzt. In Österreich liegt das durchschnittliche Rentenniveau etwa 800 Euro über dem bundesdeutschen. Das sind auch nach Berücksichtigung der unterschiedlichen Preisniveaus deutlich höhere Renten als bei uns.

DIE LINKE steht für ein solchen konsequenten Weg für sichere Renten. Wir freuen uns, dass die SPD nun auch wieder schrittweise auf diesen Weg zurückfindet.

Vielen Dank!

Es gilt das gesprochene Wort.